Rekommunalisierung des Stromnetzes

So will die Gemeinde Gerstetten künftig beim Strom mitbestimmen

Weil die Gerstetter Stromkonzessionsverträge im Oktober auslaufen, hat man im Rathaus nach einem neuen Modell gesucht, das auch der Gemeinde ein Mitspracherecht gewährt. Über die Gründung einer Netzgesellschaft soll die Gemeinde künftig Miteigentümerin des Stromnetzes sein.

So will die Gemeinde Gerstetten künftig beim Strom mitbestimmen

Zu Beginn gleich Entwarnung: Für Stromkunden in Gerstetten samt Teilorten ändert sich nichts. Wenn im Oktober der Konzessionsvertrag fürs Gerstetter Netz ausläuft, bleiben Verträge bestehen und Ansprechpartner erhalten. Im Hintergrund aber ändert sich eine ganze Menge. Denn: Die Gemeinde Gerstetten will das Stromnetz rekommunalisieren, sprich zumindest teilweise wieder in die eigene Verantwortung übernehmen.

Deshalb soll die Netzgesellschaft Gerstetten gegründet werden

Aktuell ist das Netz zweigeteilt. So ist für die Orte Gussenstadt und Sontbergen das Alb-Elektrizitätswerk (AEW) aus Geislingen zuständig, für Gerstetten, Dettingen, Heldenfingen, Heuchlingen und Heuchstetten hingegen die ENBW/ODR. Entsprechend des Konzessionsvertrags sind die beiden Unternehmen also sowohl Eigentümer als auch Betreiber der beiden Stromnetze. Dementsprechend hat die Gemeinde kein Mitspracherecht und keinen einheitlichen Ansprechpartner.

„Dass der Konzessionsvertrag jetzt ausläuft, gibt uns hier Gestaltungsmöglichkeiten“, erklärt Gerstettens Kämmerer Gerhard Krämer. So soll künftig nur noch eine Konzession für das gesamte Stromnetz vergeben werden. Und zwar an die Netzgesellschaft Gerstetten, ein noch zu gründendes Gemeinschaftsunternehmen der ENBW/ODR, das AEW und der Gemeinde Gerstetten. Diese Netzgesellschaft wird dann – vorerst in den kommenden 20 Jahren – das Stromversorgungsnetz als Pachtmodell betreiben. Als Pächter gesetzt sind die ENBW/ODR und das AEW.

Es geht uns nicht um eine Geldanlage, sondern um die Einflussnahme auf eine wichtige Infrastruktur.

Gerhard Krämer, Kämmerer Gerstetten

Durch ihre Beteiligung an der Netzgesellschaft kann die Gemeinde Gerstetten in Zukunft bei Wirtschaftsplänen und Investitionen mitentscheiden. „Es geht uns nicht um eine Geldanlage, sondern um die Einflussnahme auf eine wichtige Infrastruktur“, sagt Krämer. Als Beispiel nennt er künftige Herausforderungen bei der Einspeisung regenerativer Energien ins Stromnetz.

Die Gemeinde Gerstetten wird 25,1 Prozent der Geschäftsanteile halten

Als Gesellschafterin mit 49,8 Prozent der Geschäftsanteile wird die ENBW/ODR das größte Stimmrecht innehaben. Das AEW und die Gemeinde Gerstetten werden jeweils 25,1 Prozent der Anteile halten. Entsprechend ist die Verteilung des Stammkapitals. Die für dieses Konstrukt notwendige kartellrechtliche Genehmigung wird laut Kämmerer Krämer derzeit eingeholt.

Der Gerstetter Gemeinderat, der sich in den zurückliegenden vier Jahren immer wieder mit dem Thema befasst und auch eine Kanzlei zu Rate gezogen hat, stimmte dem von der Verwaltung vorgeschlagenen Vorgehen einstimmig zu. Die kartellrechtliche Genehmigung vorausgesetzt werden die notwendigen Verträge bis zum Jahresende unterzeichnet, sodass das neue Modell zum Januar 2024 starten kann. In der Übergangszeit zwischen dem Auslaufen des derzeitigen Konzessionsvertrags im Oktober und Januar wird aber freilich trotzdem Strom fließen. Wie Kämmerer Gerhard Krämer versichert, laufen dann die alten Konzessionen einfach weiter.

Was passiert mit dem Gerstetter Gasnetz?

Auch der Konzessionsvertrag für das Gasversorgungsnetz im Gebiet Gerstetten läuft im Oktober aus. Auch hier hätte sich die Gemeinde also für eine Rekommunalisierung entscheiden können. „Die Risiken sind uns aber zu groß“, sagt Kämmerer Gerhard Krämer und meint damit einerseits die ungewisse Entwicklung im Bereich Gasheizungen. Andererseits bestehen laut Krämer Bedenken wegen des regenerativen Wärmenetzes, wie es derzeit bereits in Gussenstadt von einer Energiegenossenschaft betrieben wird. Der Kämmerer spricht von einer „direkten Konkurrenz“.

Nach einstimmigem Beschluss des Gemeinderats wird die Gemeinde für das Gasversorgungsnetz erneut einen Konzessionsvertrag mit der ENBW/ODR schließen. Die Laufzeit beträgt auch hier 20 Jahre.