Punk und Pizza

31 Jahre „Schlicker“ in Heuchlingen: eine Kneipe und Konzert-Location im Wandel der Zeit

Früher ein Ankerpunkt der alternativen Musikszene, heute vor allem eine Anlaufstelle für Pizza-Liebhaber: Der „Schlicker“ in Heuchlingen ist seit Jahrzehnten ein Treffpunkt. Wirt Axel Grimmeisen blickt zurück.

Wer in der Region in den vergangenen Jahrzehnten in der alternativen Musikszene unterwegs war, hat mit hoher Wahrscheinlichkeit eine „Schlicker“-Geschichte zu erzählen. Ungezählte junge Bands haben sich oben im Saal erste Fans erspielt, mancher wird sich bis heute an die Mühe erinnern, Verstärker und Trommeln über die steile Treppe nach oben zu bugsieren. Bands von weither fanden den Weg nach Heuchlingen, lernten ein dankbares Publikum und die schwäbische Pizza kennen, und als einst das bis dahin sehr rustikale Herrenklo renoviert wurde, war das eine Nachricht, über die man im Landkreis durchaus sprach.

Der Mann, der mit all den Geschichten verbunden ist, heißt Axel Grimmeisen. Er ist gewissermaßen der „Schlicker“, auch wenn er das selbst nicht so sehen wird. 1994 hat Grimmeisen den früheren „Ochsen“ an der Einmündung in die Altheimer Straße gemeinsam mit Hermann Schock gepachtet, der 2002 verstarb. Er hat mindestens zwei Generationen von Kneipen- und Konzertpublikum kommen und gehen sehen und er sagt über den „Schlicker“: „Auf lange Sicht wird es so etwas nicht mehr geben.“

Das Modell Dorfkneipe stirbt aus

Dabei ist es gar nicht so sehr Schwarzmalerei, was den Wirt zu so einer Aussage bringt, sondern eher nüchterne Analyse. Er hat über mehr als 30 Jahre hinweg die sich verändernden Ausgeh- und Konsumgewohnheiten beobachtet und darauf reagiert, und er sagt: „Das Leben findet heute weniger in der Kneipe statt.“

Grimmeisen hat darauf reagiert, indem er die Schwerpunkte im „Schlicker“ verändert hat. Von einer Dorfkneipe, in der die Menschen abends mal zwei, drei Bier trinken, könnte er nicht leben. Also hat die Pizza, die es letztlich schon immer gab, an Bedeutung gewonnen. Klar gibt es noch die klassische Pizza mit Tomatensoße, Käse und Schinken. Grimmeisen und sein Team setzen aber längst auf Vielfalt, sie haben auch Gourmet-Pizzen auf der Karte. Viele Kunden bestellen ihre Pizza und holen sie ab. Das sichert dem „Schlicker“ Umsatz, für die Kneipenkultur ist es bedrohlich. Das sieht auch Grimmeisen: „Für die Atmosphäre in der Kneipe ist es natürlich schwierig, wenn da nur zehn Leute sind.“

Der aus Heidenheim stammende Wirt ist allerdings keiner, der sich auf einem „Früher war alles besser“ ausruht. Dennoch erkennt er, wie sich das Ausgehverhalten spätestens seit der Corona-Pandemie verändert hat. Das schlägt sich auch in seinem Personalbedarf nieder: An den Wochenenden stehen teils drei bis vier Mitarbeitende in der Küche. Mit einem Foodtruck ist Grimmeisen außerdem bei Heimspielen des 1. FC Heidenheim vor Ort, auch bei anderen Großveranstaltungen ist er mit seinem Team für den Pizza-Duft in der Luft verantwortlich.

Nicht nur für junge Leute

Nach mehr als 30 Jahren als Gastwirt hat man vermutlich mehr erlebt, als zwischen zwei Buchdeckel passt. Grimmeisen blickt aber vor allem auf positive Erlebnisse: „Mir imponiert, dass es immer angenehm war.“ Probleme mit Gästen oder gar Schlägereien habe es nie gegeben. „Bei uns saßen der Landstreicher und der Rechtsanwalt beisammen und haben Bier getrunken“, sagt der Wirt. Er erinnert sich auch an ein älteres Paar, das immer wieder vorbeifuhr und sich nie traute, hereinzukommen, weil sie annahmen, der „Schlicker“ sei nur für junge Leute.

Für die Atmosphäre in der Kneipe ist es natürlich schwierig, wenn da nur zehn Leute sind.

Axel Grimmeisen

Mittlerweile wird die Heuchlinger Institution quasi in zweiter Generation betrieben: Grimmeisens Tochter arbeitet seit einiger Zeit mit. „Ich habe schon immer mitbekommen, dass das ein gutes Team ist, also bin ich irgendwie reingewachsen“, sagt sie.

Die große Zeit der Konzerte im „Schlicker“ ist wohl vorbei. „Vor 30 Jahren war es egal, wer gespielt hat – die Leute kamen einfach“, erinnert sich Grimmeisen. Heute seien die Besucher vor allem mit Bands zu locken, die sie schon kennen. Daher setzt der Kneipier seit einigen Jahren auf regionale Bands, die vor Ort ein Stammpublikum haben.

31 Jahre „Schlicker“ sind zwar alles andere als ein rundes Jubiläum, dennoch wird am Samstag, 22. November, ab 20 Uhr die Band „Vi4er“ zur Jubiläumsparty im Schlicker auftreten.

Die Heuchlingen-Kiel-Connection

Mindestens eines der zahllosen Konzerte im „Schlicker“ wurde auch auf einer CD verewigt – nämlich in Form eines Fotos im Booklet des Albums „777 Bloodrock“ der Kieler Hardcore-Punk-Band „Smoke Blow“. Die Band hatte an einem 1999 entstandenen Livebild eines freien Reporters Gefallen gefunden und es kurzerhand abgedruckt.