Kompromiss gefunden

Gerstetten bringt eine teilweise Rückkehr zum flexiblen Buchungsmodell in der Kinderbetreuung auf den Weg

Nachdem es im November Diskussionen und Unmut über die Abschaffung der flexiblen Betreuungsangebote gegeben hatte, entschied der Gemeinderat, dass das Thema neu beraten werden solle. Das geschah nun im Ausschuss für Bildung, Kultur und Soziales.

Ein Kompromiss, der alle beteiligten Parteien zufriedenstellen soll: Den will man in Gerstetten gefunden haben. Es geht um das Thema der flexiblen Betreuungszeiten in den Kindergärten auf dem Gebiet der Gemeinde. Gerstetten hatte Eltern vormals die Möglichkeit gegeben, normale Betreuung, verlängerte Öffnungszeiten (VÖ) und Ganztagsbetreuung (GT) frei zu kombinieren. Im November entschied der Gemeinderat, die flexible Buchung zurückzunehmen, um das Personal zu schonen und den großen Verwaltungsaufwand zu begrenzen.

Die Entscheidung zog die Kritik vieler Eltern nach sich, außerdem fühlten sich manche Gemeinderäte durch die Sitzungsunterlagen aus dem November unzureichend informiert, weshalb beschlossen wurde, das Thema nochmal neu zu besprechen. Das tat der Ausschuss für Bildung, Kultur und Soziales dann am vergangenen Dienstagabend.

Eltern sollen in Gerstetten weiterhin wählen dürfen

Das neu ausgearbeitete Modell wurde von Sachbearbeiterin Claudia Matzkovits vorgestellt. Künftig sollen maximal zwei Betreuungsformen miteinander kombiniert werden können. Eine Betreuungsform muss mindestens für zwei oder drei aufeinanderfolgende Tage gebucht werden, entweder nach dem Schema Montag bis Dienstag und Mittwoch bis Freitag oder nach dem Schema Montag bis Mittwoch und Donnerstag bis Freitag.

So können sich im Idealfall zwei Kinder einen GT- oder VÖ-Platz teilen. Die Anzahl dieser Sharing-Plätze könne durch die Anzahl der zur Verfügung stehenden Betreuungsplätze in den jeweiligen Kindertageseinrichtungen begrenzt sein. Ein möglicherweise zusätzlicher Bedarf könne ergänzend durch die Kindertagespflege abgedeckt werden. Die Festlegung auf Betreuungsformen wäre dann immer für sechs Monate wirksam, Änderungen sollen zum 1. September und 1. März möglich sein, über Härtefälle werde im Einzelfall entschieden. Bestehende Flex-Verträge sollen Bestandsschutz bis zur nächsten Änderung erhalten.

Ganztagsbetreuung nur noch mit Nachweis

Allerdings dürfen nicht alle Eltern dieses Modell in Anspruch nehmen, denn Ganztages-Betreuungsplätze sollen in Zukunft nur noch nach Beschäftigungsnachweis vergeben werden. Die Gemeinde wird dazu einen einheitlichen Vordruck bereitstellen, der vom Arbeitgeber ausgefüllt werden soll und von Eltern spätestens zur Vertragsunterzeichnung mit der Einrichtung vorgelegt werden muss. Bei bestehenden GT-Verträgen kann der Anspruch nach Bedarf in der Kindertageseinrichtung überprüft und der Nachweis angefordert werden.

Für die Vergabe von GT-Plätzen sollen außerdem einheitliche Platzvergabekriterien genutzt werden. Dazu gehören: Kindeswohl, berufstätige Alleinerziehende, Berufstätigkeit, Ausbildung oder Schulbesuch sowie Geschwisterkinder. Härtefälle werden im Einzelfall entschieden, Kinder aus der Gemeinde haben weiterhin einen Vorrang vor auswärtigen Kindern.

Bei all dem handelt es sich laut Bürgermeister Matthias Heisler um einen „gut ausgehandelten Kompromiss“, mit dem man sehr gut leben könne. Dankbar sei er dafür, dass die großen Träger, also die evangelische und die katholische Kirche, bei dem neuen Modell mitgehen. „Damit gehen wir wieder darüber hinaus, was gesetzlich gefordert ist, und das ist auch richtig so“, sagte Heisler. Besonders entlastet sollen damit die Leute werden, die sich mit ihrer Arbeit einbringen, für alle anderen bleibe ja immer noch die Option der verlängerten Öffnungszeit.

Personalaufstockung für 300.000 Euro

Mit dem neuen Angebot wäre allerdings auch die im November angestrebte Entlastung der Erzieherinnen und Erzieher wieder dahin. Wie Matzkovits erklärte, habe das Personal ohnehin schon mit dem Auffangen eines merklichen Krankenstands zu kämpfen. Eine Erhebung in den Kindertageseinrichtungen der Gesamtgemeinde habe durchschnittliche Ausfallzeiten von 14,25 Prozent ergeben. Krankheitsvertretungen seien innerhalb der Betriebserlaubnis des Kommunalverbands für Jugend und Soziales Baden-Württemberg für die Kindertageseinrichtungen aber nur mit 8 Prozent berücksichtigt.

Deshalb schlägt die Gemeindeverwaltung vor, den Personalschlüssel für die Kindertageseinrichtungen um 6,25 Prozent zu erhöhen. Für die insgesamt elf Kindertageseinrichtungen in der Gemeinde Gerstetten liege die Erhöhung insgesamt bei 4,22 Vollzeitstellen, was geschätzte Mehrkosten von 293.000 Euro verursachen würde.

Die 8 Prozent, die der Personalschlüssel für Krankheitsvertretungen vorsieht, seien eine Farce, so Heislers Kommentar zu diesem Thema. Aus der Statistik wisse man, dass deutsche Arbeitnehmer pro Jahr im Durchschnitt 20 Tage krank seien. „Der Personalschlüssel sagt uns also, dass Erzieherinnen und Erzieher nicht so lange krank sein dürfen wie alle andere.“ Das sei nicht realistisch.

Ratsmitglieder sind zufrieden

Für die vorgestellten Vorschläge hatten die Mitglieder des Ausschusses viel Lob. Gemeinderat Thomas Häcker (FWV) lobte den Kompromiss, für den alle Beteiligten ein Stück nachgegeben hätten. „Ich habe Verständnis dafür, dass das nun eine gewisse Zeit braucht, bis es sich einspielt; die Eltern sollten das auch haben“, sagte er.

Gemeinderat Franz Kraus (FWV) sagte, dass das neue Modell dazu führe „dass wir wieder eine kinder- und familienfreundliche Gemeinde sind“. Die Entscheidung im November sei zu jener Zeit logisch gewesen, aber jetzt sehe man die Situation mit anderen Augen.

Gemeinderat Sebastian Jäger (Grüne und Unabhängige) freute sich darüber, dass als Konsequenz der Debatte bald mehr Geld in die Kinderbetreuung investiert werde. Ihn habe es überrascht, dass in den Einrichtungen realistisch gesehen vier Stellen fehlen. „Es ist gut, dass wir eine Gemeinde sind, die sich das leisten kann“, fügte Jäger hinzu.

Gemeinderätin Sigrun Nagel (Grüne und Unabhängige) wollte wissen, wie es denn im Detail funktionieren würde, 4,22 Stellen auf allen Einrichtungen im Gemeindegebiet aufzuteilen. Matzkovits erklärte, dass manche Mitarbeitenden eventuell ihre Arbeitszeiten aufstocken könnten, oder andere ihre reduzieren, sodass neue Stellen ausgeschrieben werden könnten.

Gemeinderat Dr. Armin Kolb (KWG/SPD) fragte nach, was mit eventuell noch freien Plätzen in der Ganztagsbetreuung passieren würde, wenn der Kriterienkatalog abgearbeitet sei. Heisler erklärte, dass solche Plätze dann nicht weitergegeben würden.

Noch keine abschließende Entscheidung

Die Mitglieder des Ausschusses für Jugend, Bildung und Soziales stimmten in ihrer Sitzung nicht über die Änderungen selbst ab, sondern sprachen nur eine Empfehlung an den Gemeinderat aus. Einstimmig empfahlen sie, den Beschluss aus dem November aufzuheben, die Buchung der Betreuungsmodelle neu aufzustellen und Kriterien dafür festzulegen. Der Gemeinderat wird dann in einer seiner kommenden Sitzungen darüber beraten und Beschlüsse aufstellen.

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