Testament, Pflichtteil, Familienfrieden

Erbstreit vermeiden: Fachanwalt Christian Uhrig aus Gerstetten erklärt, worauf es ankommt

Christian Uhrig ist Fachanwalt für Erbrecht und Familienrecht mit Kanzleien im Landkreis Heidenheim. Im Gespräch erklärt er, warum Erbfälle Familien entzweien können, welche Fehler viele beim Testament machen und wie man Streit durch klare Worte und rechtzeitige Planung vermeiden kann.

Der Tod kommt oft unerwartet – und mit ihm die Frage: Wer bekommt was? Dann geht es ums Haus. Um das alte Sparbuch. Um Omas Ring. Und plötzlich stehen Angehörige vor juristischen Begrifflichkeiten, von denen sie kaum je gehört haben: gesetzliche oder gewillkürte Erbfolge, Pflichtteil, Erbengemeinschaft, Schenkung, Ausschlagung.

Doch wer trauert, will sich eigentlich nicht mit Paragrafen beschäftigen. Viele Angehörige sind überfordert und übersehen dabei, dass fehlende Regelungen oder unausgesprochene Erwartungen schnell zu handfestem Streit führen können. Denn was im Leben nie offen besprochen wurde, bricht im Erbfall oft mit Wucht hervor.

„Erben betrifft früher oder später jeden. Aber kaum jemand ist wirklich vorbereitet“, sagt Christian Uhrig. Der 54-jährige Fachanwalt für Erb- und Familienrecht aus Gerstetten kommt ursprünglich aus der Pfalz und berät an Kanzleistandorten in Heidenheim, Herbrechtingen und Gerstetten. Bis zu acht Vorträge im Jahr hält er an Volkshochschulen in der Region. Dort macht er das, was seiner Erfahrung nach sehr nötig ist: aufklären.

Uhrig kennt die Konflikte, die entstehen, wenn juristische Unklarheit auf familiäre Altlasten trifft. Seit über 20 Jahren begleitet er Menschen in Erbangelegenheiten, sowohl vor dem Erbfall, wenn es um Testamente und Vorsorgevollmachten geht, als auch danach, wenn es Streit gibt.

Und der ist häufig. „Vor allem unter Geschwistern ist Streit häufig. Viele Konflikte aus der Kindheit brechen beim Erben wieder auf.“ Dann wird um alte Möbelstücke, Omas Schmuck oder Papas Angelrute gefeilscht, als gehe es um Millionen. „Manchmal geht es auch wirklich um viel Geld“, sagt Uhrig. Doch oft ist der wahre Streit ein ganz anderer: Wer wurde geliebt, wer benachteiligt, wer übergangen? Ein Kollege habe das einmal so auf den Punkt gebracht: „Seid ihr euch noch einig, oder habt ihr schon geteilt?“

Diese Erbrechtsfehler kosten Nerven und Geld

Ein häufiger Streit-Auslöser: schlecht formulierte oder missverständliche Testamente. Uhrig: „Dann beginnt das Interpretieren und jeder liest eben das heraus, was ihm nützt.“

Der Fachanwalt erinnert sich an eine junge Mandantin, die von ihrer Familie massiv unter Druck gesetzt wurde, auf ihren Pflichtteil zu verzichten. „Sie war psychisch angeschlagen, stand kurz davor, zu unterschreiben.“ Uhrig habe sie damals überzeugen können, unter eigenen Bedingungen zu verhandeln. „Sie hat sich gewehrt und wurde dadurch nachhaltig selbstbewusster. Bis heute schickt sie mir Postkarten.“

Auch heimliche Schenkungen zu Lebzeiten sorgen Uhrigs Erfahrung nach für Zündstoff: „Wenn beim Leichenschmaus plötzlich herauskommt, dass der Bruder das Elternhaus schon seit Jahren übertragen bekommen hat, fühlt man sich hintergangen. Da zerbricht Vertrauen, und das lässt sich selten reparieren.“

Die Tabuthemen Tod, Erben und Geld

Dabei könnte laut dem Gerstetter Fachanwalt vieles vermieden werden, durch frühzeitige, offene Gespräche. Genau diese blieben jedoch häufig aus. „Das Thema ist gesellschaftlich tabuisiert, sowohl von Eltern als auch von Kindern“, sagt Uhrig. Die einen wollen sich nicht mit Krankheit und Tod beschäftigen, die anderen haben Angst, geldgierig zu wirken. „Dabei ist es besser, ein paar klärende Gespräche zu führen, als hinterher vor Gericht zu enden.“

Denn genau dort landen viele Streitigkeiten. „Wir hatten kürzlich einen Fall, in dem es um die Auslegung eines missverständlichen Testamentes ging. Da sagte der Richter: Was wir hier tun, ist Kaffeesatzlesen“, erinnert sich Uhrig. „Aber weil es ums ganze Vermögen geht, wird oft bis zur letzten Patrone gestritten, durch mehrere Instanzen.“

Reden, bevor es kracht: Christian Uhrig wünscht sich mehr Offenheit beim Thema Erben – und erlebt in seiner Beratung, wie schnell aus stillem Schweigen lautstarker Streit werden kann. Markus Brandhuber

Gesetzliche Erbfolge: oft missverstanden

Der Fachanwalt weiß: Viele denken, das Erbrecht sei einfach. Alias: „Zwei Kinder – also bekommt jedes die Hälfte.“ Doch ohne Testament kann die Realität ganz anders aussehen. Ein Beispiel aus Uhrigs Vorträgen: Ein kinderloses Ehepaar errichtet kein Testament. Stirbt die Frau, erbt nicht nur der Ehemann, sondern unter Umständen auch ein Neffe der verstorbenen Ehefrau. „Die meisten rechnen damit nicht und sind schockiert, wenn plötzlich jemand Anspruch anmeldet, den sie kaum kennen.“ Das Learning: Wenn es kein Testament gibt, erbt nicht automatisch der überlebende Ehepartner allein, erklärt Uhrig. „Das wissen die wenigsten.“

Auch der Güterstand spiele eine große Rolle, also ob das Ehepaar in Zugewinngemeinschaft, Gütertrennung oder Gütergemeinschaft lebt. „Die meisten wissen nicht einmal, was das bedeutet oder was für sie gilt. Dabei kann das entscheidend für die Erbfolge sein.“ Deshalb rät Uhrig dringend dazu, sich fachkundig beraten zu lassen, am besten früh.

Erbstreit vermeiden: Diese fünf Tipps des Fachanwalts sollte man kennen

1. Rechtzeitig einen Plan machen. „Niemand weiß, wann etwas passiert. Ein Testament ist keine Einbahnstraße, man kann es jederzeit ändern.“
2. Die gesetzliche Erbfolge kennen. Wer nicht möchte, dass der Staat entscheidet, wer was bekommt, sollte ein Testament errichten.
3. Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung erstellen. Sonst entscheidet im Ernstfall ein gesetzlicher Betreuer – im Zweifel ein Fremder.
4. Mit den Angehörigen und Fachpersonen sprechen. „Karten auf den Tisch legen. Wer Transparenz schafft, verhindert Verletzungen.“
5. Steuerliche Möglichkeiten nutzen. „Schenkungen zu Lebzeiten können Freibeträge ausnutzen, alle zehn Jahre erneut.“

Typische Fehler beim Testament

Doch auch bei bester Vorbereitung können Fehler passieren. Ein häufiger: das Testament am Computer zu schreiben. Uhrig mahnt: „Es reicht nicht, etwas auszudrucken und zu unterschreiben, das ist unwirksam. Ein Testament muss handschriftlich verfasst und unterschrieben sein, sonst ist es nicht gültig.“

Ein weiteres Risiko: Auch der Pflichtteil wird oft vergessen oder zu spät geltend gemacht. „Wer enterbt wurde, hat meist einen Anspruch in Geld. Aber man muss diesen aktiv einfordern – und zwar innerhalb von drei Jahren. Sonst verjährt er.“

Nicht selten, so Uhrig, sind auch die Partner von Erben der Auslöser für Auseinandersetzungen. „Da geht’s dann nicht um Erinnerungen, sondern um das Maximum an Geld. Ob sich die Geschwister noch in die Augen sehen können, ist denen unter Umständen egal.“

Wenn Patchwork, Pflegeheim und Steuerrecht mitmischen

Auch gesellschaftliche Veränderungen wirkten sich aus: Patchwork-Familien, lange zerbrochene Beziehungen, neue Partner, entfernte Kinder: Das moderne Familienbild mache das Erben nicht einfacher. „Oft will man bestimmte Kinder begünstigen und andere bewusst ausschließen“, sagt Uhrig. Rechtlich ist das möglich, aber nur mit guter Beratung, sonst drohten Fehler mit weitreichenden Folgen.

Und was ist mit Eheverträgen? „Viele denken, das sei unromantisch und zeuge von tiefem Misstrauen. Aber es schafft Klarheit.“ Vor Jahren stand Uhrig mit einem Kollegen auf einer Hochzeitsmesse. „Wir wurden sehr komisch beäugt. Zehn Jahre später kamen manche Paare dann zu uns, weil es Streit gab.“

Trotz all dieser Konflikte liebt Christian Uhrig eigenen Angaben zufolge seinen Beruf und das Erbrecht. Zum einen, weil es Gestaltungsspielraum lasse, Fingerspitzengefühl verlange und juristisch anspruchsvoll sei. Vor allem aber, weil es die Chance biete, mit klaren Regeln und Gesprächen Schlimmeres zu verhindern. „Ich kann gestalten, vermitteln und helfen, vor und nach dem Erbfall.“

In seiner Freizeit angelt der 54-Jährige gerne mit seiner Frau und dem vierjährigen Sohn Levi, joggt oder sucht im Wald nach Pilzen. Vielleicht ist es genau diese Ruhe, die er braucht, um beruflich den Überblick zu behalten, wenn andere vor lauter Emotionen das Wesentliche nicht mehr sehen.

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