Ein Jahr lang wurde in Dettingen gefeiert, was das Zeug hält – auf die klassische Art, mit Musik, Umzügen sowie Essen und Trinken, wie beim Dorf- und Kinderfest, aber auch mit ungewöhnlicheren Veranstaltungen, wie einem öffentlichen Geschichtenerzählen sowie dem Pflanzen von Dutzenden von Linden im Umfeld des Ortes. Anlass dafür war das 900-jährige Bestehen des Ortes.
Oder eher das mindestens 900-jährige Bestehen, wie Dr. Armin Kolb weiß. Der Dettinger hat sich intensiv mit der Geschichte seines Wohnorts auseinandergesetzt und, aufbauend auf den Schriften des ehemaligen Ortsvorstehers Hans Heyer, für eine Plakatausstellung recherchiert. Deshalb weiß er, dass der damals noch „Totingen“ genannte Ort zum ersten Mal in einer Urkunde von Papst Honorius II aus dem Jahr 1125 erwähnt wurde.
Dettingen könnte aber auch deutlich älter sein, wie Kolb ausführt. Denn erste Siedlungsreste werden auf circa 7000 vor Christus, also in die Jungsteinzeit datiert. Auch Reste eines römischen Gutshofes finden sich nahe Dettingen, von einer Siedlung an Stelle des heutigen Ortes wird ab dem vierten Jahrhundert ausgegangen. Der Name der Siedlung, zuerst Totingen und später Dettingen, könnte sich von den Sippenhäuptlingen Theuderich, Theudbert und Theudbald aus jener Zeit ableiten.
Teile Dettingens blieben lang in Klosterhand
Im 6. Jahrhundert wurden Hausen und Anhausen wohl von Dettingen aus gegründet. Um 830 nach Christus ist in einem Verzeichnis des Klosters Fulda über einen Warentransport zu lesen, der „ad Tozingen et Heidenheim“ stattfand. Laut Kolb wird vermutet, dass es sich bei diesem Tozingen um Dettingen handelt, es lässt sich aber nicht mehr mit Sicherheit sagen.
Mit Sicherheit zuzuordnen ist aber ein Schutzbrief von Papst Honorius II aus dem Jahr 1125: In diesem Jahr wird das Langenauer Kloster aufgegeben und nach Anhausen verlegt, und der Papst nimmt es, mit den dazugehörigen Besitztümern, unter anderem Teile Dettingens, unter seinen Schutz. Über das ganze Mittelalter hinweg bleibt ein Teil des Ortes unter geistlicher Herrschaft, ein anderer Teil unter weltlicher. Letzterer geht im Jahr 1349 an das Haus Helfenstein, das auch in Heidenheim Besitzungen hat.
1377 bekommt Dettingen das Marktrecht verliehen, 1448 verkaufen die Helfensteiner Heidenheim und ihre Teile Dettingens an Graf Ulrich von Württemberg. Im Bauernkrieg verschanzen sich im Jahr 1525 aufständische Bauern auf dem Dettinger Friedhof und werden dort von Truppen des Schwäbischen Bundes niedergemacht.
Vor dem Krieg ein großer Ort
Um 1536 wird im Zuge der Reformation das Kloster Anhausen zum ersten Mal aufgehoben, Anfang des 17. Jahrhunderts zieht es endgültig nach Königsbronn um. In Dettingen kann das Haus Württemberg seine Besitztümer konsolidieren. Bemerkenswert ist laut Kolb, dass Dettingen zu dieser Zeit bereits eine Schule besitzt: Seit 1559 wird im Ort unterrichtet, ab 1581 hat die Gemeinde ein eigenes Schulhaus.
Im 17. Jahrhundert erreicht Dettingen eine bemerkenswerte Größe: 1624 ist von 148 Haushalten zu lesen, im Jahr 1635 werden 1335 Einwohner gezählt. Doch der Dreißigjährige Krieg verschont auch Dettingen nicht: Marodierende Soldaten ziehen durchs Land, im letzten Kriegsjahr, 1648, brennen noch 17 Häuser ab. Im Jahr 1650 sind noch 373 Einwohner übrig.
Die Erholung von der Katastrophe dauert, wie fast überall in Süddeutschland, lang. Um 1700 wird zum ersten Mal wieder ein Markt abgehalten, 1769 wird die Peterskirche durch einen Neubau von Baumeister Johannses Dosenberger ersetzt. Mit der Gründung des Königreichs Württemberg im Jahr 1806 werden der anhäusische und der heidenheimische Teil Dettingens vollends vereint.
Im 19. Jahrhundert verbessert sich die Infrastruktur im ganzen Land, von Dettingen aus werden die Straßen nach Hausen und Giengen sowie die Steige nach Anhausen ausgebaut. Ab 1887 gibt es im Ort eine Telegrafenstation mit Telefon. 1894 wird die erste Straßenbeleuchtung installiert, elektrischen Strom bekommt Dettingen erst 1912.
Eingemeindung wider Willen
Während des Ersten Weltkrieges hat Dettingen 39 Kriegstote zu beklagen. 1921 wird die wichtige Wasserleitung aus dem Brenztal auf die Alb gebaut. Ab 1930 werden manche Straßen asphaltiert; im Juli 1931 findet das erste Kinderfest statt, 1936 wird die erste Turnhalle gebaut. Zu Beginn des Zweiten Weltkriegs sind bereits 62 Dettinger Soldaten in der Wehrmacht, am Kriegsende werden insgesamt 106 Tote aus dem Ort gezählt.
Die Nachkriegszeit steckt voller Arbeit: Es werden Infrastruktur und Energieversorgung ausgebaut sowie neue Bau- und Gewerbegebiete erschlossen. In all dem Fortschritt folgt 1972 ein Ereignis, das Kolb als besonders einschneidend beschreibt: die Eingemeindung nach Gerstetten. „In dem Jahr hat Gerstetten seine Selbstständigkeit verloren“, sagt Kolb, "und sei noch nicht mal zur bevorzugten Gemeinde gekommen."
Denn eigentlich wollten die Dettinger lieber zu Heidenheim gehören. Die Entscheidung Bolheims, zu Herbrechtingen zu gehen, habe das dann aber unmöglich gemacht, da keine Grenze mehr zur Heidenheimer Gemarkung vorhanden war. So hätten sich die Dettinger schließlich in einer zweiten Abstimmung, bei der Herbrechtingen und Gerstetten zur Wahl standen, für letztere Gemeinde entschieden.
1980 wird die Umgehungsstraße eröffnet, 1997 das Industriegebiet Süd erschlossen. Dort wird 1999 das Netto-Zentrallager in Betrieb genommen, der Netto-Markt auf der anderen Straßenseite eröffnet bereits ein Jahr zuvor. Im Jahr 2000 erreicht Dettingen die 2000-Einwohner-Marke. 2019 konnte die neue Lindenhalle eröffnet werden.
Eine mobile Skulptur
Das alles ist nur ein kleiner Auszug aus Kolbs Arbeit und der langen, bewegten Geschichte des Ortes. Bei den Feierlichkeiten im Jahr 2025 ging es auch um die historische Perspektive, hauptsächlich aber um die Menschen, die heute in Dettingen leben und es zu dem machen, was es ist. Wie Ortsvorsteherin Silke Schock berichtet, war es stets ihr Ziel, „so viele Menschen wie möglich mitzunehmen, damit es für die Leute auch zu einem persönlichen Jubiläum wird.“
Deshalb gab es im Herbst 2024 eine Auftaktveranstaltung, bei der Ideen gesammelt und Arbeitsgruppen gebildet wurden. Eine Idee von Schock war es, in Gerstetten eine Art „Hollywood Sign“ aufzustellen. Aber schnell sei klar geworden, dass der „Dettingen am Albuch“-Schriftzug „furchtbar lang“ geworden war. Michael Mailänder und Jonas Mack hatten dann die Idee, stattdessen das neu entwickelte Jubiläums-Logo aus Holz zu errichten. Und die setzten sie dann auch, mit Unterstützung von Zimmermann Christian Braunmiller, um. Als die Ziffern fertig waren, wurde sie auf öffentlicher Fläche aufgestellt und alle paar Wochen wieder an einen neuen Ort verlegt. Zuletzt auf eine Freifläche nahe der Anhauser Linde, wo sie erstmal stehenbleiben sollen.
Reich geschmückter Umzug
Eine andere Gruppe kümmerte sich um die Wimpelaktion: Auf Spendenbasis wurden Stoffe und Stoffreste gesammelt, die von den Mitgliedern der Gruppe in tausende kleine Wimpel verarbeitet wurden. Auf lange Schnüre gereiht konnten sie über die Straßen Dettingens aufgespannt werden und dem Festumzug noch mehr Stimmung verleihen.
Apropos Festumzug: Der fand während dem Festwochenende mit Kinder- und Dorffest statt, und war nochmal deutlich ausgefallener und größer als üblich: „So viele Leute haben daran teilgenommen, dass wir uns fast Sorgen gemacht haben, ob es überhaupt noch Zuschauer geben wird“, scherzt Schock. Aber es gab dann doch ausreichend Menschen, die den Weg der Kinder, Musikanten und der beteiligten Vereine mit ihren Bannern und Schildern säumen konnten.
Erzählungen und Ausstellungen
Ebenfalls an jenem Wochenende gab es sogenannte „Zeitreisenfahrten“, bei denen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer auf einem landwirtschaftlichen Anhänger durch den Ort gefahren wurden und an verschiedenen Orten anhielten, um einer historischen Erzählung mit Bezug zum jeweiligen Standort zu hören. Um Geschichten ging es auch beim „Erzählcafé“, für das man ältere Einwohner von Dettingen eingeladen hatte, die dem Publikum Geschichten von früher erzählten und sich mit ihnen darüber austauschten.
Aufgearbeitet wurde das Jubiläum auch auf Papier, zum Beispiel durch die von Dr. Armin Kolb vorbereitete Chronikausstellung, präsentiert auf Plakaten im Foyer des Schulhauses. Im Herbst folgte eine Kunstausstellung im Foyer der Lindenhalle, deren Werke vom Jubiläum inspiriert waren. Auch eine Festschrift zum Thema „900 Jahre – Wir sind Dettingen“ mit Vorstellung vieler Dettinger Gruppen und Vereine gibt es inzwischen. „Für die begrenzte Zeit, die wir dafür hatten, ist die phänomenal geworden“, freut sich Schock.
Unterwegs zu den Linden
Eines der umgesetzten Projekte war besonders viel Arbeit, soll aber auch eine besonders lange Nachwirkung haben: Es gibt nun einen „Lindenweg“ in und um Gerstetten. Dieser Rundwanderweg mit fast acht Kilometern Länge, dessen Route durch Bodenmarkierungen ausgewiesen ist, führt vorbei an dutzenden Linden unterschiedlicher Arten. Dazu gehören historische Bäume wie die bekannte Anhauser Linde, aber auch 50 neu gepflanzte Bäume.
Markiert werden die einzelnen Bäume auch durch kleine, bemalte Holzlinden, die von örtlichen Kindergartenkindern gestaltet wurden. Mittels QR-Codes auf Tafeln werden weitere Informationen vermittelt, und die Anhauser Linde kann man sich mithilfe von Augmented Reality in ihrer einstmals vollen Pracht anschauen. Für das Projekt, das viel Arbeit und auch Kosten verursachte, gab es Geld aus der Leader-Förderung des Landes.
Nach diesem gut gefüllten Jubiläumsjahr kann Ortsvorsteherin Schock wohl zu Recht sagen, dass das gemeinsame Ziel erreicht wurde: "Es haben sich wirklich viele Leute beteiligt, und es gab viel Lob für das, was wir gemacht haben". Gute Vorzeichen also – auch für die nächsten 100 Jahre Dettingen.
Im Zeichen der Linde
Die Verbindung Dettingens zum Lindenbaum zeigt sich bereits im Wappen der Gemeinde, auf dem in der linken Hälfte eine grüne Linde auf weißem Grund zu sehen ist. Unter Linden versammelte man sich früher gerne zu geselligen Anlässen wie Festen. Der bekannteste Baum auf Dettinger Gebiet ist die Anhauser Linde an der ehemaligen Straße Richtung Heidenheim.
Diese Winterlinde ist laut Schätzungen über 500 Jahre alt. Der Umfang des Stammes liegt bei über 8 Metern. Die Anhauser Linde hat bereits einen Blitzschlag und mehrere Brände überlebt. Ein Herbststurm im Jahr 2006 brach große Teile der Krone ab, worauf der Baum von vielen für tot erklärt wurde. Doch er trieb wieder aus und trägt auch heute noch Blätter und Blüten.

