Interview

Ein Leben für den Glauben: Der Dunstelkinger Pfarrer Georg Höfer feiert seinen 90. Geburtstag

Taufe, Trauung, Totengedenken: Georg Höfer war mehr als 40 Jahre lang katholischer Pfarrer auf dem Härtsfeld. Heute feiert er seinen 90. Geburtstag – und spricht im Interview über Gott und die Welt.

Er hat unzählige Gottesdienste gehalten, er hat den Segen ausgesprochen, Kinder getauft, Ehepaare getraut und Menschen die letzte Ehre erwiesen. Sonntag für Sonntag hat er das Wort Gottes verkündet. Er kennt die Bibel, ihre Geschichten, er hat sie studiert. Georg Höfer war mehr als 40 Jahre lang Gemeindepfarrer in Dunstelkingen und noch länger ist er Theologe. In all den Jahren seiner kirchlichen Tätigkeit war er immer nah bei den Menschen und für seine klare Haltung bekannt. Heute feiert er seinen 90. Geburtstag. Im Interview blickt er auf sein Leben zurück, er spricht über die Kraft des Glaubens – und erklärt, warum die Bibel aktueller ist, denn je.

Herr Höfer, Gratulation zum 90. Geburtstag. Ich hoffe, Sie schauen zurück auf ein erfülltes Leben.

Georg Höfer: Ich hatte eine gute Zeit hier und kann nicht klagen. Ich bin von vielen unterstützt worden. Es war wirklich immer schön.

Lassen Sie uns zusammen zurückblicken. Wollten Sie immer schon Pfarrer werden?

Den Wunsch, Theologie zu studieren, hatte ich schon immer – aber natürlich gab es auch Zweifel. Für den Weg in ein kirchliches Amt habe ich mich erst recht spät entschieden. Da war ich bereits 29. Wir als Familie waren natürlich sehr mit der Kirche verbunden. Ich bin damit groß geworden. Der Bruder meines Vaters war Missionar, zum Beispiel. Ich komme ja aus einer anderen Zeit.

Erzählen Sie uns von Ihrem Weg.

Ach, da gibt es nicht viel zu erzählen. Ich bin in Goch geboren. Im Bahnhof damals. Mein Vater war Bahnhofsvorsteher. Dann sind wir nach Köln gezogen, dort bin ich aufgewachsen, habe mein Abitur gemacht. Mein Theologiestudium habe ich in Freiburg absolviert. Das habe ich ohne Konvikt, sozusagen ohne kirchliche Aufsicht, abgelegt. Mich hat die Theologie interessiert, weniger die Kirche. Ich habe mich dann erst relativ spät entschlossen, mich beim Bischof zu melden. Ich war dann im Priesterseminar in Köln, war Studentenpfarrer in Bonn. Dann habe ich die Diözese gewechselt und war bei Ditzingen tätig und jetzt bin ich seit über 40 Jahren hier in Dunstelkingen.

Sie waren also das Leben in der Großstadt gewohnt und kamen dann in eine kleine Gemeinde. War das Ihr Traum? Eine Pfarrersstelle auf dem Land?

Die Stelle war zweimal ausgeschrieben im Amtsblatt. Dann habe ich gedacht, ich geh' mal auf so ein katholisches Dorf. Hier wird Gemeinschaft gelebt. Darauf kommt es doch auch in der Kirche an. Viele haben gesagt, ich sei verrückt. Und ich hatte es auch so nicht geplant. Aber ich hab es nie bereut.

Sie sind dafür bekannt, klare Kante zu zeigen. Sie ecken mitunter an im strengen Kirchenleben, sagen Ihre Meinung geraderaus. Waren Sie immer ein kritischer Katholik?

Ja natürlich. Ich war immer kritisch und das sollte man auch sein. Nicht umsonst habe ich mich erst sehr spät dazu entschlossen, ein kirchliches Amt zu übernehmen. Ich gehörte zu denen, die nach dem Konzil in den 60er Jahren viele Veränderungen in die Kirchen getragen haben. Damals versammelten sich die Bischöfe und haben neue Weichen gestellt. Das war ein unglaublicher Umbruch damals. Die gesamte Liturgie wurde verdeutscht. Die Leute hatten ja früher gar nicht verstanden, was der Priester am Altar mit dem Rücken zur Gemeinde gebetet hat. Das war ja sowieso eine andere Zeit. Wer damals sonntags nicht in die Kirche gegangen ist - das war eine Todsünde. Das kann man sich ja gar nicht mehr vorstellen.

Bei Ihnen bekommen auch Kinder die Kommunion, die noch nicht offiziell bei der Eucharistie waren. Sie erteilen allgemein die Absolution, obwohl das die Kirche so nicht will. Das wird sicher so manchem traditionellen Christen bitter aufstoßen.

Es ist doch nur menschlich und richtig, die Kinder miteinzubeziehen. Sie gehören zur Gemeinschaft Gottes. Jesus hätte sie auch nicht ausgeschlossen. Im Gegenteil. In den Evangelien sagt er „Lasst die Kinder zu mir kommen“. Man kann doch nicht immer das Evangelium lesen und dann das Gegenteil tun. Die Kinder haben durch die Taufe und die damit verbundene Aufnahme in die Gemeinde ein Recht dazu, am Abendmahl teilzunehmen. Heute wird da so ein Wirbel um die Erstkommunion gemacht. Das hat doch mit Jesus nichts zu tun. Und was die Lossprechung der Sünden betrifft: Wir brauchen dafür keinen Beichtstuhl. Ein Gespräch ist immer und überall möglich. In den Bußfeiern nach dem Konzil war die allgemeine Lossprechung von den Sünden anfangs noch möglich. Ich bin dabei geblieben.

Herr Höfer, wir kommen nicht drumherum: Ihr Berufsstand hat ordentlich eingebüßt über die Jahre. Macht, Missbrauch: Die dunkle Geschichte der Kirche kann man mindestens zurückverfolgen bis zu den mittelalterlichen Ablassbriefen, mit denen mit der schieren Angst Geld gemacht wurde. Sie haben in Ihrer Laufbahn den Image-, Macht- und Autoritätsverlust der Kirche regelrecht mitansehen können. Hat man das auch auf den Kirchenbänken im Härtsfeld bemerkt?

Ja, klar. Früher waren die Kirchen voll. Heute sind die Bänke oft leer. Die Menschen haben sich vom Apparat Kirche emanzipiert. Ich würde auch die vielen Kirchenaustritte jetzt dahingehend interpretieren. Ich verurteile das in keinster Weise. Das ist Emanzipation von einer Institution, die ärgert oder bedrückt. Schon den Kindern sage ich immer: Wenn euch jemand oder etwas in der Kirche Angst macht, könnt ihr euch sicher sein, dass das nichts mit Jesus zu tun hat. Natürlich kommt es dann noch darauf an, welche Orientierung die Menschen im Leben in Anspruch nehmen, welche Rolle Glauben für die Menschen spielt.

Die Menschen haben sich vom Apparat Kirche emanzipiert.

Georg Höfer, war lange Gemeindepfarrer in Dunstelkingen und feiert heute seinen 90. Geburtstag

Sie feierten die Eucharistie und verkündeten das ewige Leben. Wie schauen Sie nach all den Jahren auf die Institution Kirche?

Die Kirche ist unglaubwürdig geworden. Übrigens: Kirche ist eine relative Größe. Jesus hat keine römisch-katholische Kirche gegründet. Und: Es gibt ja auch noch andere Kirchen als die unsere. Es kommt auf die Kirche weniger an. Mein Glaube ist mir wichtig. Dem kann die Kirche nur dienen. Sie kann ihm aber auch im Wege stehen.

Wie muss sich die Kirche reformieren, wenn sie überleben will?

Logisch, sie müsste sich verändern. Aber das ist schwierig. Das wird auch der jetzige Papst nicht hinbekommen. Die Hierarchie hat einfach ausgedient.

Ob Taufe, Trauung oder Totengedenken: An den Schnittstellen des Lebens spielt Kirche häufig noch immer eine Rolle. Nicht selten wenden sich Menschen dem Glauben in Krisenzeiten wieder zu.

Gerade bei diesen Ereignissen fängt man eben oft an, nachzudenken. Dann kommt Glaube wieder ins Spiel. Und das ist auch wichtig. Denn in der Gemeinschaft erfährt man ja auch unheimlich viel Halt und Trost.

Anderes Thema und jetzt kommen wir dann doch ins Private. Das Zölibat bleibt weiterhin unangetastet, wenn es auch immer kontroverser diskutiert wird. Hätten Sie gerne geheiratet, Herr Höfer?

Jetzt im Alter merke ich es, ich bin halt allein. Aber ich war nie einsam. Ich hatte meinen Neffen, den ich großgezogen habe. Ich habe Geschwister, Verwandte und kenne also familiäre Beziehung.

Was denken Sie: Ist das noch zeitgemäß, Menschen Heirat, Beziehung und Kinder zu verwehren?

Es als Pflicht auszusprechen, finde ich falsch. Man kann auch verheiratet und mit Familie ein guter Pfarrer sein. Das sehen wir ja an unseren evangelischen Kollegen. Aber klar, die Argumentation ist, dass die Pfarrer sich quasi ungehindert und uneingeschränkt der Kirche widmen sollen.

Bleibt die Frage: Werden wir es noch erleben, dass in einer katholischen Kirche eine Frau ein höheres Amt bekleidet?

Das ist so ein Thema, mit dem ich bereits abgeschlossen habe. Weil es überhaupt nichts bringt. Ich kann nur sagen, Frauen wehrt euch. Das ist so absurd. Nirgends steht, dass Frauen nicht für höhere Ämter bestimmt sind. Das ist menschengemacht. Mit all den Problemen, mit denen wir uns rumschlagen, die kommen im Evangelium gar nicht vor.

Auf dieser Welt werden Kriege geführt, die mit Glauben und durch religiöse Schriften gerechtfertigt werden. Wie sehr wird Religion politisiert? Oder wie politisch ist die Kirche?

Mit dem Evangelium kann man keine Politik machen. Aber man kann Orientierung finden. Religion wird immer politisiert oder für Politik instrumentalisiert. Das ist natürlich vom Teufel. All die Kriege, die da im Namen verschiedener Götter geführt werden, furchtbar. Jesus hat keinen Staat gegründet. Er war Anarchist und hat immer Kritik an Macht geübt. Das zeigt sich auch daran, dass Jesus seinen Jüngern die Füße gewaschen hat, um sie zu ermuntern, nach ihrem eigenen Gewissen zu leben.

Auch wir sind dem Krieg so nah wie lange nicht. Die Menschen haben Angst.

Wir haben uns jahrelang mit dem Frieden beschäftigt, heute machen wir uns wieder kriegstüchtig. Und was sagt die Kirche dazu? Wenig! Ich sage: Mit Gewalt kann man keinen Frieden herstellen. Diese Aufrüstung ist eine Katastrophe und kann nicht die Antwort sein. Jesus war nie gewalttätig. Wer Gewaltlosigkeit predigt, kann nicht jede Art von Krieg und Diskriminierung billigen.

Dann ist die Bibel so aktuell wie nie?

Ja, weil sie die ganze Geschichte der Menschheit eingefangen hat. Wir können so viel rausziehen, so viele Antworten auf unsere Fragen bekommen. Da ist so viel Stoff drin an menschlichem Leben.

Herr Höfer, die Weltreligionen sind vielfältig: Gibt es den einen wahren Gott?

Jeder soll sehen, wie er zurechtkommt. Ich glaube an den Gott Jesu. Ich glaube das, was ich in den Evangelien finde. Lebtag tue ich nichts anderes, als jeden Sonntag die Bibel zu erklären. Da habe ich natürlich auch die Überzeugung für mich gefunden, dementsprechend zu handeln. Ich habe auch andere Schriften gelesen und kann damit aber nichts anfangen. Am Ende geht es darum, wie man sich anderen gegenüber verhält. Nicht darum, was man glaubt. Dann ist es egal, ob man Christ, Moslem, Kommunist oder Atheist ist.

Wenn Sie zurückschauen und auch wenn die Frage etwas provokativ ist: Hat sich ein Leben für die Kirche gelohnt?

Das müssten Sie die Menschen hier fragen. Ich denke schon. Ich habe immer versucht, dass Menschen mit Glaube und Kirche zurechtkommen.

Sie haben gepredigt und Schriften studiert. Sie haben sich in Gebeten zum Glauben an das ewige Leben bekannt. Wenn Sie sich mit dem Ende Ihres Lebens beschäftigen, was meinen Sie, was kommt nach dem Tod?

Ich bin fest davon überzeugt, dass es nicht aus ist. Aber wie es weitergeht, das weiß kein Mensch. Ich kann mir nicht vorstellen, dass man sich im Nichts auflöst. Lassen wir uns überraschen.

Orgelkonzert für Pfarrer Höfer

An seinem Geburtstag ist Pfarrer Höfer verreist. Zu seinem Tauftag aber und anlässlich seines runden Geburtstags, findet am Freitag, 24. Oktober, ein Orgelkonzert mit Dörte Maria Packeiser in der Pfarrkirche Dunstelkingen statt. Beginn ist um 19 Uhr.