Anlass zur Freude gibt es bei der Dischinger Gemeindeverwaltung: Das Stuttgarter Oberlandesgericht (OLG) hat im Rechtsstreit, den eine Berliner Anwaltskanzlei schon seit längerem gegen die Gemeinde führt, jetzt im Sinne der Kommune geurteilt. In der Sache geht es um angebliche wiederholte Urheberrechtsverletzungen, die die Härtsfeldgemeinde auf ihrer Homepage begangen haben soll und für die sie verklagt wurde. Wie Dischingens Bürgermeister Dirk Schabel auf Nachfrage schildert, sei das OLG „auf der ganzen Linie unserer Argumentation gefolgt“. Schabel spricht hier von einem „überwältigenden Sieg“.
Am OLG fand Mitte Mai 2025 die Berufungsverhandlung statt, nachdem das Stuttgarter Landgericht als vorherige Instanz im April 2024 der Klägerin recht gegeben hatte. Die trotz der Landgericht-Entscheidung seitens der Kanzlei eingelegte Berufung hat das Oberlandesgericht in seinem nun gefällten Urteil zurückgewiesen und auf die Berufung der Gemeinde hin die Klage abgewiesen. Eine Revision wurde vom OLG nicht zugelassen und die Kosten für beide Instanzen der Klägerin auferlegt.
Der Rechtsstreit im Rückblick
Der Ursprung der juristischen Auseinandersetzung liegt mittlerweile rund drei Jahre zurück. Damals hatte die Gemeinde auf ihrer Internetseite ein Lärmschutzgutachten zum Bebauungsplan „Eisbühl/Zwinkelweg“ veröffentlicht, zu dem als Teil auch eine Karte gehörte. Dieses Kartenmaterial stammte von einer Firma, die solches im Internet zur lizenzierten Nutzung bereitstellt. In der Folge schrieb die Anwaltskanzlei, die jene Firma juristisch vertritt, die Gemeinde Dischingen an und verwies auf die unerlaubte Veröffentlichung der urheberrechtlich geschützten Karte.
Gefordert wurden von der Gemeinde für eine außergerichtliche Regelung 3000 Euro Schadensersatz und eine Unterlassungserklärung. Die Kommune sei dem nachgekommen, hatte Schabel im Dezember vorigen Jahres im Gemeinderat geschildert. Außerdem sei das beanstandete Dokument von der Homepage entfernt worden. Doch schon bald seien weitere Schreiben der Kanzlei mit neuen und höheren Forderungen eingegangen, weil das Dokument noch immer auf der Internetseite zu finden sei. Da es in der Folge zu keiner Einigung kam, beauftragte die Gemeinde einen Rechtsanwalt mit der Angelegenheit. Im Januar 2023 reichte die Berliner Kanzlei Klage gegen Dischingen ein.
„Mit einem mittleren fünfstelligen Betrag“ schlage die Sache inzwischen zu Buche, hatte es im Dezember seitens der Gemeindeverwaltung geheißen. Im vorausgegangenen Januar 2024 hatte das Stuttgarter Landgericht über die Vorwürfe der Urheberrechtsverletzung verhandelt und es sei zu erkennen gewesen, dass das Gericht die Aussagen des Klägers für zutreffend halte. Die Gemeinde solle die betreffende Datei von ihrer Internetseite entfernen und einen Vergleich schließen.
Ein Vergleich wurde von Dischinger Seite abgelehnt. Der Grund: Das Dokument sei unter der Internetadresse der Gemeinde nicht mehr vorhanden. Vielmehr finde es sich nur beim Web-Archiv eines wohl amerikanischen Unternehmens, bei dem es möglich sei, nicht mehr vorhandene oder veränderte Webseiten sehen zu können. Abgebildet sei hier zwar die Dischinger Seite, jedoch oben mit einer anderen URL. Wie im Dezember im Gemeinderat mitgeteilt wurde, gibt es mittlerweile eine Löschbestätigung seitens des Web-Archivs.
Die Berufung am Oberlandesgericht
Klar war nach dem Urteil des Landgerichts zugunsten der Klägerin, dass der Rechtsstreit in die nächste Runde gehen würde. Denn nicht nur Dischingen strebte eine Berufungsverhandlung am OLG an, sondern eben auch die Klägerin: Wie die Dischinger Gemeindeverwaltung im Dezember erläuterte, sei die Kanzlei mit der Höhe der damals zugesprochenen Geldsumme nicht einverstanden gewesen.
Das OLG hat im Berufungsverfahren nun im Sinne der Gemeinde Dischingen geurteilt. „Es hat 'das Verhalten der Klägerin als Ganzes' als rechtsmissbräuchlich gebrandmarkt“, so Bürgermeister Schabel. „Dabei hat es sehr deutlich hervorgehoben, dass die Klägerin auf unsere sehr substantiierten Fakten-, Zahlen- und Datenangaben praktisch nie ausreichend reagiert hat, obwohl dies der Klägerin eigentlich ohne weiteres möglich gewesen wäre.“
Schabel weiter zum Urteil: „Besondere Freude bereitet es auch, dass das OLG Stuttgart den Wert des Unterlassungsanspruchs der Klägerin mit gerade einmal 'bis 2800 Euro' bezeichnet hat.“ Dabei habe es in Rechnung gestellt, dass die Karten-Auszüge der Klägerin „faktisch gar keinen kommerziellen Wert“ hätten.
„Auch wenn es ein langer und steiniger Weg war, so glauben wir – und diese Einschätzung teilt auch unser Rechtsanwalt –, dass dieses Urteil ein Meilenstein bei der Bekämpfung rechtsmissbräuchlicher Massenabmahner im Urheberrecht ist“, hebt der Bürgermeister hervor. Das OLG Stuttgart zähle nach Einschätzung des Anwalts der Gemeinde zu einem der wichtigsten Gerichte in Deutschland bei der Fortentwicklung des Urheberrechts.
Ein weiteres Verfahren steht noch an
Doch trotz des OLG-Urteils aus Stuttgart und des erfolgten Ausschlusses der Revision ist die juristische Angelegenheit noch nicht ganz abgeschlossen: Die Klägerin hat im März 2024 eine weitere Klage gegen Dischingen eingereicht beim Amtsgericht Charlottenburg in Berlin. In diesem Verfahren, das beim Landgericht Berlin II anhängig ist, geht es erneut um die Erstattung von Abmahngebühren. Die Sache sei jedoch wegen der Stuttgarter Verhandlung zurückgestellt worden, so Schabel. „Für das weitere Verfahren vor dem LG Berlin II sind wir sehr optimistisch gestimmt.“ Wie der Bürgermeister aus dem Stuttgarter Urteil berichtet, habe sich das Oberlandesgericht äußerst befremdet darüber geäußert, dass die Klägerin in Berlin in „demselben Komplex“ Abmahnkosten eingeklagt habe. Dies trage zum Rechtsmissbrauch bei, schildert Schabel eine gerichtliche Einschätzung.