Nieder mit dem Guten, es lebe das Böse! Gut, ganz so extrem werden sich die Machtverhältnisse im diesjährigen Wintermärchen des Heidenheimer Naturtheaters womöglich nicht verschieben. Doch schon jetzt ist klar: Das von der Heidenheimer Zeitung präsentierte traditionelle Wintermärchen bringt in diesem Jahr unter dem Titel „Hinter den Dornen“ eine etwas andere Version des bekannten Märchens „Dornröschen“ auf die Bühne. Regisseurin Pauline von Fürich inszeniert mit gerade 17 Jahren das Stück, ihr Regie-Assistent Andrei Grosu ist 16 Jahre jung. Beide sind auf der Bühne des Naturtheaters keine unbekannten Gesichter, Regie führen sie jedoch zum allerersten Mal. Und das bei einer von Silke von Fürich eigens für das Naturtheater verfassten Bühnenfassung.
Pauline und Andrei, wie alt wart ihr, als ihr zum ersten Mal auf der Bühne des Naturtheaters standet?
Pauline von Fürich: Ich war damals grade zwei Wochen alt, bin also quasi auf die Bühne geboren. Das war 2005, bei der Aufführung von „Anatevka“. Mein Vater (Oliver von Fürich, Anm. d. Red.) hatte Regie geführt, meine Mutter während ihrer Schwangerschaft mitgespielt. Ich bin während der Spielzeit auf die Welt gekommen.
Zwei Wochen alt und schon Schauspielerin – Andrei, kannst du das unterbieten?
Andrei Grosu: Das wird knapp (lacht). Das erste Mal auf der Bühne stand ich mit sieben, beim Naturtheater bin ich seit fünf Jahren.
Könnt ihr euch noch an eure jeweils erste größere Rolle erinnern?
Pauline von Fürich: Für mich war das mit sechs Jahren die Rolle der Klein-Ida in „Michel aus Lönneberga“. Als ich oben am Fahnenmast hing, war ich schon sehr stolz.
Andrei Grosu: Meine erste größere Rolle war der Abteilungsleiter beim „Sams“ in diesem Sommer. Den konnte ich sehr frei und pompös spielen, so wie ich es wollte.
Für euch beide neigt sich ein ereignisreiches Naturtheater-Jahr dem Ende zu. Ihr seid beide im Jungendbeirat, habt beide im „Sams“ mitgespielt – du, Pauline, sogar in der Hauptrolle. Jetzt führt ihr gemeinsam Regie beim Wintermärchen. War euch schon immer klar, dass euch euer Weg in den sprichwörtlichen Regiesessel führen wird?
Pauline von Fürich: Bei mir ja, da ich ja schon länger dabei bin. Die Idee für eine Inszenierung von „Dornröschen“ hatten Silke (Silke von Fürich, Tante von Pauline von Fürich, Anm. d. Red.) und ich schon 2020. Dann haben wir noch Andrei ins Boot geholt.
Nicht deine erste Familienkooperation in diesem Jahr . . .
Pauline von Fürich: Stimmt, beim „Sams“ hat mein Vater Regie geführt. Silke hat „Dornröschen“ bearbeitet und ist gleichzeitig meine Mentorin. Wir haben uns dabei für eine modernisierte Inszenierung entschieden, deshalb heißt das Stück auch „Hinter den Dornen“. Wir wollten, dass der Titel keine falschen Erwartungen weckt. Nachher würde das Publikum noch erwarten, dass der Prinz am Ende die Prinzessin wachküsst. Vielleicht ist das bei uns ja gar nicht so… Wir erzählen unter anderem die Vorgeschichte der bösen Fee und des Königs.
Klingt sehr ambitioniert für ein Regie-Debüt.
Andrei Grosu: Als junges Regieteam hatten wir das Bedürfnis, ein modernisiertes Stück zu inszenieren. Bei einem Stück, das seit Hunderten von Jahren gleich ist, hätten wir vielleicht nicht dasselbe Maß an Motivation gehabt.
Pauline von Fürich: Dadurch, dass Silke das Textbuch geschrieben hat, ist das Teil auch einfach unser eigenes Ding. So hat man bei der Inszenierung viel mehr Freiheiten.
Wie habt ihr den Wechsel von der Bühne ins Regieteam empfunden?
Pauline von Fürich: Als Schauspieler bekommt man hin und wieder Regieanweisungen, bei denen man erst nicht so recht weiß, was man damit anfangen soll . . .
Andrei Grosu: . . . mittlerweile verstehen wir solche Entscheidungen aber besser als früher.
Habt ihr euch eure erste Regiearbeit denn so vorgestellt?
Pauline von Fürich: Es ist sehr, sehr viel Arbeit (lacht). In den letzten Monaten haben wir sehr viel Zeit hier im Theater verbracht. Man muss sich mit haufenweise Kleinigkeiten beschäftigen und Entscheidungen treffen, die man anfangs gar nicht auf dem Schirm hatte.
Zum Beispiel?
Pauline von Fürich: Kostüm- und Bühnenbild, Technik, Ticketverkauf – im Grunde klappert man die ganzen Ressorts ab.
Andrei Grosu: Es gibt so vieles zu tun, bevor man überhaupt mit der eigentlichen Regiearbeit anfangen kann. Beispielsweise muss man einen Redaktionsplan erstellen, das Marketing-Konzept im Blick behalten oder auch Instagram-Posts planen.
Hört sich nach einem Fulltime-Job an.
Pauline von Fürich: Man kommt definitiv an seine Grenzen. Andrei und ich gehen noch zur Schule, Silke hat einen Vollzeitjob. Das trifft auf die anderen Regisseure ja auch zu, für uns als Neuanfänger war es aber besonders krass.
Gab es einen Punkt an dem ihr dachtet: „Boah, das ist zu viel“?
Andrei Grosu: Man muss sich schon zusammenreißen und am Ball bleiben.
Pauline von Fürich: Die Arbeit zahlt sich am Ende ja auch aus. Heute findet die erste Hauptrobe statt, das wird sicherlich überwältigend. Da fließt vermutlich die ein oder andere Träne.
Silke von Fürich: Man wächst an den Aufgaben – das muss man auch. Da steckt viel Entwicklung drin, auch persönliche.
Ist es üblich, dass junge Mitglieder im Naturtheater Regie führen?
Silke von Fürich: Dass junge Menschen bei uns Regie führen, ist absolut gewollt und gewünscht. Es gibt unter den Erwachsenen tolle Regisseure, auf die man sich immer verlassen kann, dennoch wollen wir als Verein ja nicht stehenbleiben. Wir wollen ausdrücklich unsere Jugend fördern und fragen aktiv unsere jungen Mitglieder an, ob sie nicht einmal selbst Regie führen wollen. Sie werden dabei immer von einem erwachsenen Menschen als Mentor begleitet.
Was gefällt euch besser: Schauspielern, Regie führen oder Drehbücher schreiben?
Pauline von Fürich: Ich finde beides interessant und könnte mich gar nicht festlegen. Ich liebe es, zu spielen. Gleichzeitig ist es natürlich unglaublich, das eigene Stück auf der Bühne zu sehen und zu sagen: „Das ist meins.“
Silke von Fürich: Ich spiele auch leidenschaftlich gerne, das liegt, glaube ich, bei uns in den Genen (lacht). Schreiben reizt mich aber ebenfalls total, das ist meine zweite Welt. Beim Schreiben hatte ich zum Beispiel schon unsere Naturtheater-Bühne und unsere angedachte Besetzung im Kopf. Es ist ein Stück, das extra für unser Team entstanden ist.
Pauline und Andrei, könntet ihr euch vorstellen, euer Hobby eines Tages zum Beruf zu machen?
Andrei Grosu: Bevor man diese Frage für sich selbst beantworten kann, sollte man meiner Meinung nach mindestens bei zwei Stücken Regie geführt haben.
Pauline von Fürich: Ich bin sehr stolz auf das, was wir hier auf die Beine gestellt haben, und könnte mir durchaus vorstellen, irgendwann nochmal Regie zu führen – allerdings als Hobby. Für mich ist es wichtig, dass es ein Ausgleich zum Alltag bleibt.
Heidenheim
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„Hinter den Dornen“: vier Aufführungsorte
Premiere feiert „Hinter den Dornen – frei nach ‚Dornröschen’“ am Samstag, 26. November, ab 15 Uhr im Konzerthaus. Am Sonntag, 27. November, wird das Stück dort ebenfalls ab 15 Uhr aufgeführt. Tickets gibt es im Pressehaus in Heidenheim sowie unter laendleevents.de. HZ-Abonnenten erhalten für diese beiden Vorführungen zwei Euro Ermäßigung.
Weitere Aufführungen des Wintermärchens: 3. und 4. Dezember (Theatersaal im Naturtheater), 10. Dezember (Stadtgarten Schwäbisch Gmünd) sowie 11. Dezember (Walter-Schmid-Halle Giengen), jeweils ab 15 Uhr.