Wer hätte denn seinerzeit beim Schwoof, im Partykeller, bei Käseigel gedacht, dass die gleiche Musik, die damals zum Abhotten einlud, vierzig, fünfzig Jahre später immer noch zieht? Der Samstagabend im Congress-Centrum war der schönste Beweis dafür. Freilich wurde da diese Musik aber auch in der De-Luxe-Version präsentiert. „Rock meets Classic“ war das Motto, und das bedeutete, Siggi Schwarz und seine Band trafen auf die Nürnberger Symphoniker unter der Leitung von Joongbae Jee, und zusammen servierten sie Meilensteine der Rockgeschichte.
Und das war schon vom Allerfeinsten, was da dargeboten wurde. Das Orchester machte gleich zum Auftakt, den es noch ohne Band-Verstärkung bestritt, mit „Rocky“ klar, dass hier wirklich hoch geflogen wurde: Beste Spiellaune, hohes Tempo, und eine nie nachlassende Dynamik legten die Latte für das Konzert schon sehr hoch. Und das wurde noch getoppt, als Siggi Schwarz mit Band dazu stieß. Oder besser gesagt: direkt reinsprang. Denn mit „Jump“ wurde gleich einer jener Joker gezückt, die auf jeden Fall sofort in die Beine gehen. Und zum Mitsingen einluden: „You might as well jump“ hörte man aus dem Publikum schallen ebenso wie „Rosanna“ von Toto, Bon Jovis „It’s my life“, Survivors „Eye of the tiger“ und auch Foreigners „Urgent“. Dringend war an diesem Abend vor allem eines: Mehr, mehr, mehr.
California und Africa
Mehr von den satten Gitarrensoli, die natürlich immer wieder in den Hits glänzten, mehr von den unglaublich unermüdlichen Streichern, die den Songs einerseits so weich unterfüttern konnten wie bei „While my guitar gently weeps“ und „Hotel California“ und andererseits aber auch ordentlich prägnante Akzente setzen konnten wie bei „Here I go again“ und „Final Countdown“. Und das Orchester sorgte auch dafür, dass die berühmte Hookline von „Africa“ noch effektvoller, noch eingängiger war als ohnehin schon.
Apropos „Africa“: Den Toto-Hit nahm Siggi Schwarz zum Anlass, ganz offiziell und vor Publikum einen Stabwechsel zu vollziehen. In diesem Fall einen Stick-Wechsel, denn Bernd Elsenhans legt nach zwanzig Jahren als Schlagzeuger bei Siggi Schwarz seine Sticks aus der Hand, um kürzer zu treten. „Africa“ gab ihm nochmals Gelegenheit, sich mit einem ausgiebigen und stark beklatschten Solo zu verabschieden, um dann die Sticks in die Hände von Matthias Bäuerlein zu legen, der damit auch richtig gut was anfangen konnte, wie sich im Konzert eindrucksvoll zeigte.
Groove und Rührung
Kann ein Abend mit Meilensteinen des Rock stattfinden ohne „Bohemian Rhapsody“? Manches Konzert muss notgedrungen ohne auskommen, weil es halt doch sehr anspruchsvoll ist, vor allem für den Sänger. Siggi Schwarz hat da allerdings einen weiteren Joker: Markus Engelstädter. Sein Gesang kommt dem des Originals schon sehr nahe, und es war ein Genuss, diesen Meilenstein in all der Opulenz, die das Orchester beisteuerte, und den mitreißenden Grooves der Band zu genießen. Und auch da ließ sich das Publikum das Mikro nicht zweimal hinhalten, sondern lieferte gern und laut die geforderten Textzeilen. Ausgetüftelte Lightshow, richtig gute Mugge und ein abermals gelungenes Crossover zwischen Rock und Klassik – die Stimmung im Congress-Centrum hätte besser nicht sein können. Dass am Ende der ganze Saal stand, klatschte, mitwippte, mitsang war ein deutliches Zeichen dafür.
Und Siggi Schwarz? Ja, ein bisschen Rührung war ihm schon anzumerken, war das Konzert doch ein markanter Höhepunkt in seinem Jubiläumsjahr und sicherlich auch ein solcher in seinen 50 Jahren auf der Bühne. Und schließlich die Tatsache, dass „der Laden hier so voll ist“, wie er es ausdrückte. Ausverkauft. Und dazu noch beste Stimmung bei dem, was Siggi Schwarz, der „Rockbotschafter aus Heidenheim“, mit Schwelgen in schönen Melodien, mitreißenden Grooves und vielen Erinnerungen angekündigt hatte. Und das ist zu hundert Prozent gelungen: Gar nicht gehen lassen wollte das Publikum die Akteure.
Künstlerweisheit
Und die ließen sich nicht lumpen: Ein üppiges Solo von Siggi Schwarz leitete „You’re the voice“ ein, bei dem abermals Markus Engelstädters großartige Stimme überzeugte. Und zudem konnte sich das Publikum noch an einer geradezu bombastischen Version von John Miles‘ „Music“ ergötzen. Das Publikum hätte noch gekonnt, Siggi Schwarz bekundete, noch „bis morgen früh durchspielen“ zu können, gerade in seiner Heimatstadt, hielt sich aber letztlich an die alte Künstlerweisheit, dann zu gehen, wenn es am schönsten ist. Und dass John Lennons „Imagine“ ein wirklich würdiger Schlusspunkt war, dass werden all jene bescheinigen, die da ergriffen lauschten, so eindringlich geriet die Version, in der Orchester, Band und auch Markus Engelstädters Stimme noch einmal alles an Gefühl und Können aufboten.
Heidenheim
Der Ideengeber und der Träumer
Im Jahr 2015 veranstaltete Siggi Schwarz erstmals ein solches Crossover zwischen Rock und Klassik. Seither hat er rund 50 solcher Konzerte gegeben, und das überall in Deutschland. Ideengeber seinerzeit war Stefan Doraszelski, dessen Stiftung auch Sponsor der Veranstaltung ist. Stefan Doraszelski war selbst auch an diesem Abend anwesend und schwelgte mit Siggi Schwarz in Erinnerungen an die erste Zeit ihrer Bekanntschaft: „Wer hätte damals gedacht, dass wir einmal bei solchen Konzerten beieinander sein würden“, so Doraszelski. „Ich schon“, war Siggi Schwarz‘ Antwort, „ich war immer schon ein Träumer“.