Fast schon Urlaubsstimmung genießen konnte man im unter den geltenden Abstandsregeln ausverkauften Klostergarten in Herbrechtingen, wohin über 80 Besucher gekommen waren, um das zu erleben, was corona-bedingt im Frühling ausfallen musste. Der „Liederfrühling“ war zwar so schon fast zum Liederherbst geworden, ließ aber durchaus sommerliche Atmosphäre entstehen.

Das lag zum einen an dem lauen Sommerabend, zum anderen aber auch am Programm: einen lateinamerikanischen Abend mit Liedern aus Chile unter dem Titel „Gracias a la vida“, also „Danke an das Leben“, hatte die Sontheimer Sopranistin Theresa Romes, gleichzeitig Vorsitzende des Vereins „Liederfrühling“, ausgewählt. Und dazu servierte sie mit den Musikern Adrian Lieb (Gitarre und Gesang), Johannes Lang (Gitarre), Kevin Schwarz (Geige und Bass) sowie Silas Bischoff am Charango, dem für die Anden typischen Zupfinstrument, politische und sozialkritische Lieder und Musik der Liedermacher Violetta Parra und Victor Jara. Und das auf Spanisch, was mit viel „Ay, ay, ay“ dem idyllischen Klostergarten obendrein Ferienflair verlieh.

Leidenschaft und Temperament

In Ermangelung einschlägiger Sprachkenntnisse geriet beim Publikum zwar Sozialkritik und Politik in den Hintergrund, dafür aber glänzte eines um so mehr: die Stimmen. Theresa Romes‘ warmer Sopran verströmte Leidenschaft und Temperament, Adrian Liebs Gesang erzeugte Innigkeit, und wenn die beiden zusammen sangen, dann war dies von einer solchen Harmonie, dass das Publikum fast schon süchtig danach wurde.

Ob nun zarte gefühlvolle Lieder oder temperamentvolle Weisen wie die äußerst effektvolle „Mazurka modernica“, das Publikum genoss die fremdartige Musik, das Eindringen in eine andere Welt, in der sogar ein Wiegenlied noch mit sanftem Rhythmus betört, zumal so gekonnt dargeboten von den Quintett, dem neben enormer Virtuosität auch viel Herzblut und Freude an diesen Liedern anzumerken war.

Musikalische Konkurrenz

Dabei war die Konkurrenz groß: Vogelgezwitscher umrahmte den Abend, Kirchenglocken fielen ein, und all das nahm das Ensemble mit Gelassenheit zur Kenntnis, mehr noch: Mit Improvisationsgeschick wurde das mal eben mit in den Abend integriert. Und die Bekanntschaft mit dem Charango hatte ohnehin eigene Faszination: Gezupft, gestrichen, geklopft unter den versierten Händen von Silas Bischoff, trug es zum Zauber des Abends bei, der so recht aus den Fängen des Alltags entführte und ein wenig an – Parra und Jara, die mit ihren Liedern andere Anliegen verfolgt hatten, mögen es verzeihen – Sommernächte an fernen Stränden denken ließ.

Das Motto des Abends, „Danke an das Leben“, dürfte damit den Besuchern nach dem rund zweistündigen Kunstgenuss aus dem Herzen gesprochen haben. Gleich gefolgt von einem Danke an die Kultur, die in den letzten Monaten so schmerzlich vermisst wurde und deren Bedeutung durch einen Abend wie diesen einmal mehr hervorgehoben wurde: als Labsal für Geist und Seele. Wie Urlaub eben auch.

Schumann am Mittwoch


Auf dem Programm des in den Herbst gerutschten Herbrechtinger „Liederfrühlings“ stand auch ein Abend mit Schumann-Liedern, über den wir in unserer morgigen Ausgabe berichten werden.