Einlasskontrollen vor der Bibliothek? Eintritt nur mit Ausweis? Margit Gerstmayr und Jan von der Osten können sich angesichts des ungläubigen Gesichtsausdrucks ein Schmunzeln nicht verkneifen. „Natürlich! Die Altersbeschränkungen werden genau eingehalten“, sagt Gerstmayr und hat auch gleich eine Erklärung für die Kontrollen in der Heidenheimer Stadtbibliothek parat.
Denn was zunächst eher absurd klingt, kommt gar nicht mal so selten vor. Und zwar immer dann, wenn wieder eine Game-Night ansteht – oder wie zuletzt ein „League-of-Legends“-Event im Margarete-Hannsmann-Saal. Zocken unter Aufsicht, sozusagen. Oder, wie Gerstmayr als Bibliothekarin und Online-Verantwortliche sagen würde: Gaming.
Zusammen mit Jan von der Osten, Leiter des Kreismedienzentrums, ist sie für diesen relativ neuen, bei vielen Bibliotheksbesuchern noch unbekannten Bereich zuständig. „Wir als Bibliothek haben das einfach ausprobiert. Wir wollten damit ein neues Feld beackern und sind durch unsere gute Zusammenarbeit mit dem Medienzentrum nun schon sehr weit gekommen“, so Gerstmayr.
Neue Räume, neue Möglichkeiten
Angefangen hat alles mit dem Umzug ins neue Bibliotheksgebäude. Gerstmayr und von der Osten haben den Bereich „Gaming“ als „riesengroßes Thema“ erkannt, das jedoch in der öffentlichen Wahrnehmung noch immer ein Mauerblümchendasein fristet – oder aber mit Vorurteilen behaftet ist. „Da geht es nicht nur um Ballerspiele. Es geht darum, Medienkompetenz zu vermitteln. Fähigkeiten, die die jungen Leute auch später in der Arbeitswelt brauchen“, sagt von der Osten.
Gaming – ein Trend, den aber eigentlich kein Mensch in einer Bibliothek suchen würde. Erst recht nicht in Heidenheim. „Naja, die Bibliothek wird aus Steuergeldern finanziert und ist für alle da. Daher müssen wir auf die Zukunftsfähigkeit achten und auch neue Medien vermitteln“, sagt Gerstmayr. Und zwar quer durch alle Altersgruppen und Nationalitäten; vom fünfjährigen Kind über Jugendliche bis hin zu Senioren. Immer mittwochs und freitags gibt es entsprechende Spielzeiten in den Gaming-Räumen, wobei teilweise sogar Familien mit ihren Kindern kommen und sich das Ganze immer mehr zu einem geselligen Beisammensein entwickle, so Gerstmayr.
„Betreutes Spielen“
Während das Angebot mittwochs unter den Begriff „Gaming“ fällt, findet am Freitagnachmittag die sogenannte Computerspielschule statt. „Dieses Projekt habe ich aus Leipzig abgeschaut. Das ist ein pädagogisch gesteuertes Angebot, bei dem verschiedene Computerspiele ausprobiert werden können“, so von der Osten. Mit am beliebtesten sei das Spiel „Minecraft“, bei dem verschiedene Konstruktionen in einer 3D-Welt gebaut und anschließend erkunden werden können – inklusive der Einteilung von Ressourcen oder der Bekämpfung von Monstern. „Nicht selten gibt es Spieler, die sich zuerst bekriegen, sich dann aber zusammentun, um gemeinsam etwas aufzubauen“, sagt Gerstmayr. Auch das könne als Aspekt des sozialen Lernens gesehen werden.
Klar ist aber auch, dass es hier immer wieder Teilnehmer gibt, die die Regeln nicht ganz so eng sehen wollen – um genau das kontrollieren zu können, sind insgesamt sechs Schüler und Studenten der Pädagogischen Hochschule Schwäbisch Gmünd bei der Stadt Heidenheim und beim Landkreis als Honorarkräfte beschäftigt. „Wenn da jemand gegen die Regeln verstößt, dann wird er auch mal des Hauses verwiesen“, sagt Gerstmayr.
Nicht nur das „betreute Spielen“ wird in der Bibliothek angeboten, sondern auch Aufklärung. Es gibt Elternnachmittage, Informationsveranstaltungen, Broschüren, Vorträge – „Wir wollen vor allem den Älteren die Skepsis nehmen und zeigen, dass Gaming nichts Böses ist“, so Gerstmayr. Zumindest teilweise ist das schon auf fruchtbaren Boden gefallen: Sowohl die Fachschule Herbrechtingen als auch die Duale Hochschule seien vor Ort gewesen, um einen Einblick zu bekommen – „und auch die, die zuerst kritisch waren, zeigten sich am Ende begeistert“.
Spiele testen, bewerten, entwickeln
Der Gaming-Bereich in der Stadtbibliothek soll künftig weiter ausgebaut werden. Man will verschiedene Vernetzungen aufbauen, mehr in die Öffentlichkeit gehen und auch auf Schulen zugehen. Außerdem gibt es laut Gerstmayr einen Bibliotheken-Arbeitskreis, in dem sich die teilnehmenden Institutionen zum Thema Gaming austauschen können. Sie kann sich vorstellen, dass künftig auch neue Spiele in der Bibliothek getestet und bewertet werden könnten.
Selbst Parteien und Abgeordnete hätten sich bereits über das Angebot an der Heidenheimer Stadtbibliothek informiert, so Gerstmayr – „Das politische Interesse wächst.“
Mit den betreuenden Studenten der PH Gmünd besteht bereits ein Kontakt mit der Hochschule. Auch diese Zusammenarbeit soll erweitert werden; man könne sich eine wissenschaftliche Begleitung und eventuell sogar eine eigene Vorlesung dazu vorstellen.
Im Kreismedienzentrum ist künftig ein Mitarbeiter im Rahmen des Bundesfreiwilligendienstes angedacht, der sich um die Organisation der Computerspielschule kümmern soll und eventuell sogar einfaches Programmieren für Kinder anbieten könnte – also die Vorstufe zum Erfinden von eigenen Spielen.