Atlantik

Wettlauf gegen die Zeit: Suche nach U-Boot bei «Titanic»

An Bord eines kleinen U-Boots wollten «Titanic»-Fans zum berühmten Wrack abtauchen. Auch ein britischer Milliardär ist an Bord. Doch nun wird die kleine «Titan» selbst vermisst. Und der Sauerstoff knapp.

Wettlauf gegen die Zeit: Suche nach U-Boot bei «Titanic»

Es ist ein Wettlauf gegen die Zeit: In der Nähe des «Titanic»-Wracks im Atlantik suchen Rettungskräfte nach fünf Vermissten in einem verschollenen U-Boot. Da der Sauerstoff in der knapp sieben Meter langen «Titan» nach Betreiberangaben für 96 Stunden reiche, «gehen wir davon aus, dass derzeit zwischen 70 und 96 Stunden verfügbar sind», sagte Kommandant John Mauger von der US-Küstenwache in Boston. Das Boot wird bereits mehr als 24 Stunden vermisst.

«Wir setzen alle verfügbaren Mittel ein, um sicherzustellen, dass wir das Schiff lokalisieren und die Menschen an Bord retten können», sagte Mauger weiter. Das Unternehmen Oceangate Expeditions bestätigte, dass Menschen an Bord seien. «Wir prüfen und mobilisieren alle Optionen, um die Besatzung sicher zurückzubringen», zitierte die britische BBC aus einer Mitteilung.

Das Unternehmen bringt gelegentlich Privatleute für viel Geld zum Wrack der 1912 gesunkenen, weltberühmten «Titanic», die am Grund des Ozeans in 3800 Meter Tiefe liegt. Nun gehe es zunächst darum, das Tauchboot an der Wasseroberfläche oder in der Tiefe des Ozeans aufzuspüren, sagte Kommandant Mauger.

Dafür würden mehrere Flugzeuge und Schiffe sowie Bojen mit Sonar an Bord eingesetzt, die Geräusche in einer Meerestiefe von bis zu knapp 4000 Meter erfassen können. Erst wenn der genaue Ort des Bootes klar sei, könne eine mögliche Rettung angegangen werden. Bei der großangelegten Rettungsaktion arbeitet die US-Küstenwache mit kanadischen Einsatzkräften und privaten Booten und Handelsschiffen an der vermuteten Stelle rund 1500 Kilometer östlich der US-Metropole Boston zusammen.

An Bord ist auch der britische Geschäftsmann und Abenteurer Hamish Harding. Wie die britische Nachrichtenagentur PA am Dienstagmorgen meldete, bestätigte Hardings Unternehmen Action Aviation, der milliardenschwere Geschäftsmann sei einer von insgesamt fünf Insassen. «Es bleibt noch genügend Zeit, um einen Rettungseinsatz zu ermöglichen, für diesen Fall ist Ausrüstung zum Überleben an Bord», sagte Manager Mark Butler. «Wir alle hoffen und beten, dass er gesund und munter zurückkommt.»

Harding ist als Abenteurer bekannt. Er hält mehrere Guinness-Weltrekorde, darunter den längsten Tauchgang im Marianengraben, dem tiefsten Ort der Erde im März 2021. Im Juni 2022 flog der Brite ins All. Action Aviation hatte am Sonntag in den sozialen Medien mitgeteilt, dass Harding an der «Titanic»-Expedition teilnimmt.

Am Dienstagmorgen wurde zudem bekannt, dass ein pakistanischer Geschäftsmann und sein 19-jähriger Sohn an Bord sind. «Unser Sohn Shahzada Dawood und sein Sohn Suleman hatten sich auf eine Reise begeben, um die Überreste der “Titanic” im Atlantischen Ozean zu besichtigen», zitierten britische Medien am Morgen aus einer Mitteilung der Familie. «Bis jetzt ist der Kontakt zu ihrem Tauchboot unterbrochen, und es stehen nur begrenzte Informationen zur Verfügung.» Dawood lebt demnach in Großbritannien und arbeitet als Unternehmensberater. Laut «Daily Mail» ist der 48-Jährige einer der reichsten Männer Pakistans. Die Namen der anderen Besatzungsmitglieder wurden zunächst nicht öffentlich bestätigt.

Expedition sollte acht Tage dauern

Die fünf Vermissten in dem Boot des privaten Unternehmens Oceangate Expeditions hatten den Tauchgang den Angaben zufolge am Sonntagmorgen (Ortszeit) begonnen. Die Besatzung des kanadischen Begleitschiffs «Polar Prince» habe nach etwa einer Stunde und 45 Minuten den Kontakt verloren. Das Tauchboot bringt von seinem Heimathafen St. John’s auf der kanadischen Insel Neufundland für 250.000 Dollar (229.000 Euro) pro Person gelegentlich Touristen zur «Titanic». Darunter sind maximal drei Touristen. Dabei handelt es sich bei der «Titan» im engen Sinne um ein Tauchboot, nicht um ein U-Boot, weil es nicht aus eigener Kraft in Häfen ein- und ausfährt. Nach Unternehmensangaben ist die «Titan» 6,70 Meter lang.

Oceangate zufolge dauern die Touren des Unternehmens, die von der kanadischen Insel Neufundland aufbrechen, insgesamt acht Tage. Das Unternehmen bewirbt die Fahrten mit dem Kohlefaser-Tauchboot laut BBC als Chance, «aus dem Alltag herauszutreten und etwas wirklich Außergewöhnliches zu entdecken». Die Firma hatte kürzlich mitgeteilt, dass eine Expedition unterwegs sei. Der britische mutmaßliche Teilnehmer schrieb Medien zufolge, es handele sich voraussichtlich um die einzige solche Expedition in diesem Jahr.

Die «Titanic» war 1912 auf ihrer Jungfernfahrt von Southampton nach New York im Nordatlantik gesunken, mehr als 1500 der 2200 Menschen an Bord starben. Die Überreste des berühmten Luxusdampfers wurden 1985 in rund 3800 Metern Tiefe entdeckt. Filme wie der Blockbuster «Titanic» (1997) mit den Hollywood-Stars Kate Winslet und Leonardo di Caprio heizten das Interesse an der Katastrophe weiter an. Erst vor kurzem hatten Wissenschaftler mit Hilfe hochauflösender 3D-Bilder die bisher genaueste Darstellung des Wracks geboten.

Schwierige Bedingungen für Suchaktion

Der Ozean-Forscher Robert Blasiak vom Stockholm Resilience Centre wies auf die schwierigen Bedingungen im Suchgebiet hin. «Der Ozean ist im Durchschnitt vier Kilometer tief, dieses U-Boot befindet sich also in großer Tiefe», sagte Blasiak der BBC. Licht dringe höchstens einen Kilometer weit in die Meeresoberfläche ein, es sei also stockfinster bei gleichzeitig erheblichem Wasserdruck. «Wir wissen, wo die «Titanic» ist, aber wir wissen nicht, wo das Tauchboot ist. Es könnte also sein, dass es bei weitem nicht so tief ist, und darauf sollten wir alle zum jetzigen Zeitpunkt hoffen.»

Der U-Boot-Experte Alistair Greig vom University College London nannte im BBC-Gespräch mehrere mögliche Szenarien des Vorfalls. Bei einem Strom- oder Kommunikationsausfall könne es sein, dass das Tauchboot zur Oberfläche getrieben würde. Deutlich schlechter wäre die Lage, sollte der Rumpf beschädigt worden sein und es ein Leck geben. «Dann ist die Prognose nicht gut», sagte Greig.

Schwierig wäre es auch, wenn das Tauchboot nicht mehr aus eigener Kraft vom Meeresboden aufsteigen könne. «Auch wenn das Tauchboot möglicherweise noch intakt ist, gibt es, wenn es tiefer als 200 Meter ist, nur sehr wenige Schiffe, die so tief vordringen können, und schon gar keine Taucher», sagte der Experte. «Die für die U-Boot-Rettung der Marine konzipierten Fahrzeuge können sicherlich nicht annähernd in die Tiefe der «Titanic» vordringen. Und selbst wenn sie es könnten, bezweifle ich sehr, dass sie an der Luke des Touristentauchboots fest machen könnten.»