Suche nach Tauchboot: Sorge um verbleibenden Sauerstoff
In der Nähe des berühmten «Titanic»-Wracks suchen Rettungskräfte in einem Wettlauf gegen die Zeit nach einem Tauchboot mit fünf Insassen. Es gebe bislang keine Spur von dem Boot, sagte der Koordinator der US-Küstenwache für die Operation, Jamie Frederick, in Boston. Der Sauerstoff reiche den Schätzungen zufolge nun – am Dienstagabend – noch rund 40 Stunden und die Suche sei sehr komplex.
Die Betreiberfirma Oceangate versprach, alle Anstrengungen zur Rettung der fünf Vermissten zu unternehmen. «Unser gesamter Fokus liegt auf dem Wohlergehen der Besatzung und es werden alle möglichen Schritte unternommen, um die fünf Besatzungsmitglieder sicher zurückzubringen», hieß es in einer Stellungnahme. «Wir sind zutiefst dankbar für die dringende und umfassende Unterstützung, die wir von mehreren Regierungsbehörden und Tiefseeunternehmen erhalten, während wir versuchen, den Kontakt mit dem Tauchboot wiederherzustellen.»
Navy schickt Bergungssystem
Die US-Marine schickt unterdessen ein Gerät zur Bergung des Gefährts. Wie eine Sprecherin der Deutschen Presse-Agentur sagte, soll das Tiefsee-Bergungssystem mit dem Kürzel «Fadoss» in der Nacht zum Mittwoch (Ortszeit) in der kanadischen Stadt St. Johns in Neufundland ankommen. Wann es das Suchgebiet Hunderte Kilometer weiter südlich erreichen könnte, blieb zunächst unklar.
Die US Navy beschreibt «Fadoss» als «tragbares Schiffshebesystem, das eine zuverlässige Tiefsee-Hebekapazität von bis zu 27 Tonnen für die Bergung großer, sperriger und schwerer versunkener Objekte wie Flugzeuge oder kleine Schiffe bietet.» Winde und Seil des Geräts gebe es dabei in verschiedenen Größen je nach Art und Gewicht des zu hebenden Objekts. «Fadoss» könnte aber erst dann zum Einsatz kommen, wenn das Tauchboot gefunden wurde.
Bekannter Titanic-Experte an Bord
An Bord ist unter anderem der französische Forscher Paul-Henri Nargeolet, der als einer der bekanntesten Experten für das Wrack gilt und daher den Spitznamen «Mr Titanic» trägt. Weitere Insassen sind der britische Abenteurer Hamish Harding sowie der britisch-pakistanische Unternehmensberater Shahzada Dawood und dessen 19-jähriger Sohn Suleman.
Der fünfte Vermisste an Bord des verschollenen Tauchboots im Atlantik ist US-Medienberichten zufolge der Chef der Betreiberfirma Oceangate. Stockton Rush nahm laut Angaben der TV-Sender NBC und CNN und unter Berufung auf Oceangate und eine nicht namentlich genannte Quelle an der Expedition teil.
Man verstärke die Suche unter Wasser, sagte John Mauger von der US-Küstenwache dem US-Sender CNN. Zunächst habe man sich auf die Wasseroberfläche konzentriert, indem man mit Flugzeugen einem bestimmten Muster folgend ein großes Gebiet abgeflogen sei. Flugzeuge der US-Nationalgarde und aus Kanada hätten die US-Küstenwache dabei unterstützt. Es sei bereits eine Fläche von rund 26.000 Quadratkilometern abgesucht worden, teilte die US-Künstenwache per Kurznachrichtendienst Twitter mit. Koordinator Frederick sagte, die Suche sei ein sehr komplexes Unterfangen. Ein Team, das sich aus der Küstenwache, Angehörigen der US-Nationalgarde und kanadischen Streitkräften zusammensetze, arbeite «rund um die Uhr» daran.
Experten zeigen sich pessimistisch
Das Gefährt wird seit Sonntagvormittag (Ortszeit) vermisst – etwa eine Stunde und 45 Minuten nach Beginn des Tauchgangs riss der Kontakt zum Begleitboot «Polar Prince» ab. Nach Angaben des Anbieters Oceangate Expeditions hat die knapp sieben Meter kleine «Titan» ausreichend Sauerstoff für 96 Stunden. Doch Experten zeigten sich mit Blick auf die Chance, das Gefährt rechtzeitig zu finden, pessimistisch.
Eine Rettung kann erst angegangen werden, wenn das Boot lokalisiert ist. Das in zwei Hälften zerbrochene Wrack der «Titanic» liegt in rund 3800 Metern Tiefe. An der Stelle etwa 684 Kilometer südlich der kanadischen Insel Neufundland sind die Bedingungen äußerst schwierig. Es herrscht pechschwarze Dunkelheit, und der Wasserdruck ist groß.
Oceangate bietet zahlungskräftigen Kunden eine abenteuerliche Reise – die Kosten für die insgesamt achttägige Expedition liegen bei 250.000 US-Dollar (229.000 Euro). Der Tauchgang selbst dauert eigentlich nur wenige Stunden. Das Unternehmen bewirbt die Fahrten mit dem Kohlefaser-Tauchboot laut BBC als Chance, «aus dem Alltag herauszutreten und etwas wirklich Außergewöhnliches zu entdecken». An Bord sind auch immer wieder Experten und Forscher.
Reporter: Gefährt macht improvisierten Eindruck
Der Reporter David Pogue vom US-Sender CBS, der die Fahrt im vergangenen Jahr mitgemacht hatte, sagte der BBC, das Gefährt habe auf ihn einen improvisierten Eindruck gemacht. «Man steuert dieses U-Boot mit einem Xbox-Gamecontroller», sagte Pogue. Ein Teil des Ballasts bestehe aus Baurohren. Falls das Boot eingeklemmt werde oder Leck schlage, «gibt es kein Backup, keine Rettungskapsel», sagte er. Der ehemalige U-Boot-Offizier Frank Owen sagte der BBC, die größte Herausforderung für die Eingeschlossenen sei es, ruhig zu bleiben und nicht zu viel Sauerstoff zu verbrauchen.
Mit Experte Nargeolet, einem ehemaligen Marinetaucher, und Abenteurer Harding sind mindestens zwei erfahrenen Insassen an Bord. Der Brite, der in wenigen Tagen 59 Jahre alt wird, hält mehrere Guinness-Weltrekorde, darunter den längsten Tauchgang im Marianengraben, dem tiefsten Ort der Erde, im März 2021. Im Juni 2022 flog er ins All. Hardings Unternehmen Action Aviation teilte mit, die Familie sei dankbar für viele unterstützende Nachrichten. Man sei sehr stolz auf Harding, der unter anderem für die Wiederansiedlung von Geparden aus Namibia in Indien verantwortlich gewesen sei.
Schwierige Bedingungen im Tauchboot
In dem Tauchboot herrschen nach Angaben eines Experten äußerst schwierige Bedingungen. «Es wird heiß sein, es wird beengt sein», sagte der Ozeanologe Simon Boxall von der Universität Southampton der BBC. «Es gibt keine Rettungskapsel.» In dieser Tiefe herrsche ein enormer Druck, ein Ausstieg sei unmöglich. «Also sind sie völlig darauf angewiesen, dass das Tauchboot gefunden wird.» Boxall betonte: «Es ist eine enorme Herausforderung, die wir noch nie zuvor bewältigen mussten.» Die Zeit für eine Rettung sei sehr knapp.
Auch der «Titanic»-Fan Arthur Loibl aus Straubing in Niederbayern verfolgt die Suche nach den Vermissten «extremst intensiv», wie er der Deutschen Presse-Agentur sagte. Denn: 2021 sei er als einer der ersten Mitfahrer mit dem Mini-U-Boot des Anbieters Oceangate Expeditions zur «Titanic» abgetaucht.
«Ich bin sehr mitgenommen», so Loibl. Zwei der vermissten Männer kenne er persönlich, mit einem von ihnen sei er noch am Samstag per E-Mail in Kontakt gewesen. Es sei schwer einzuschätzen, was der Grund für das Verschwinden des Tauchbootes sein könnte. Jedoch müsse es für die Besatzung schrecklich sein. Man sitze auf engstem Raum, dicht nebeneinander, die Füße übereinander. Es gebe keine Toilette und nach so langer Zeit dürften Wasser und Essen ausgehen.
Die «Titanic» war 1912 auf ihrer Jungfernfahrt von Southampton nach New York im Nordatlantik gesunken, mehr als 1500 der 2200 Menschen an Bord starben. Die Überreste des berühmten Luxusdampfers wurden 1985 entdeckt. Filme wie der Blockbuster «Titanic» (1997) mit den Hollywood-Stars Kate Winslet und Leonardo DiCaprio heizten das Interesse an der Katastrophe weiter an. Erst vor kurzem hatten Wissenschaftler mit Hilfe hochauflösender 3D-Bilder die bisher genaueste Darstellung des Wracks geboten.