Sauerstoff auf «Titan» reicht höchstens noch 20 Stunden
Auf der Suche nach dem verschollenen Tauchboot in der Nähe des «Titanic»-Wracks im Nordatlantik wird die Zeit knapp. In etwa 20 Stunden dürfte den Abenteurern an Bord der «Titan» der Sauerstoff ausgehen, wie die US-Küstenwache dem britischen Sender BBC mitteilte.
Rettungstrupps setzten auch am Mittwoch unter schwierigen Bedingungen ihre Suche fort. Unterwassergeräusche in der Nacht hatten Hoffnungen geschürt, das Tauchboot mit den Insassen zu finden. Dies gelang bislang nicht. Experten warnten vor zu viel Optimismus.
Das Tauchboot wird seit Sonntagvormittag (Ortszeit) vermisst. Die «Titan» war mit fünf Menschen an Bord auf dem Weg zum Wrack des berühmten Luxusdampfers. Das «Titanic»-Wrack liegt in rund 3800 Metern Tiefe. Etwa eine Stunde und 45 Minuten nach Beginn des Tauchgangs riss der Kontakt zum Mutterschiff «Polar Prince» ab. In der Nacht zum Mittwoch hatte ein kanadisches Flugzeug «Unterwassergeräusche» registriert. Zuvor hatten der Sender CNN und das Magazin «Rolling Stone» unter Berufung auf ein internes Memo der US-Regierung berichtet.
Der Chef der US-Küstenwache im Nordosten der USA, John Mauger, äußerte sich zu den Geräuschen zurückhaltend. «Das ist ein unglaublich komplexes Gelände dort. Man darf nicht vergessen, dass es sich um die Wrackstelle der Titanic handelt – es gibt also eine Menge Metall und verschiedene Objekte im Wasser um diese Stelle herum», sagte er dem US-Sender CBS auf die Frage, ob die Geräusche von den Insassen des Bootes stammen könnten. Zur Auswertung der Geräusche habe man Experten der US-Marine hinzugezogen, die in der Lage seien, genauere Informationen zu ihrem Ursprung zu geben.
Die aufgenommenen Geräusche könnten einem beteiligten US-Experten zufolge viele Ursachen haben. Die Geräusche seien zwar als Klopfen beschrieben worden, sagte Carl Hartsfield vom Oceanographic Systems Laboratory bei einer Pressekonferenz der US-Küstenwache am Mittwoch. «Aus meiner Erfahrung mit der Akustik kann ich Ihnen sagen, dass es Geräusche von biologischen Stoffen gibt, die für das ungeübte Ohr von Menschen gemacht klingen. Aber ich kann Ihnen versichern, dass die Leute, die diese Bänder abhören, geschult sind.» Zudem gebe es auch einige Geräusche, die von Schiffen in dem Suchgebiet stammten. Experten würden jede Aufnahme systematisch analysieren.
Der amerikanische Ozeanograf David Gallo sagte, ihn erinnerten die Unterwassergeräusche an die vergebliche Suche nach der verschwundenen Passagiermaschine auf Flug MH370. «Hier ist ein wenig Vorsicht geboten, denn wenn Sie sich an das Malaysia-Airlines-Flugzeug erinnern, gab es alle möglichen Knall-, Piep- und Klopfgeräusche zu hören», sagte Gallo dem US-Sender CNN am Mittwochmorgen (Ortszeit). «Es stellte sich immer als etwas anderes heraus.»
Auch bekannter «Titanic»-Forscher an Bord
An Bord der «Titan» befindet sich auch der Forscher Paul-Henri Nargeolet (77). Der als «Monsieur Titanic» bekannte Franzose gilt als einer der besten Experten für das Wrack des 1912 gesunkenen Luxusliners. Weitere Insassen sind der britische Abenteurer Hamish Harding (58), der mehrere Guinness-Weltrekorde hält, sowie der britisch-pakistanische Unternehmensberater Shahzada Dawood (48) und dessen 19-jähriger Sohn Suleman. Wie das «Oberbayerische Volksblatt» berichtete, stammt Dawoods Ehefrau aus Deutschland. Der fünfte Vermisste ist laut Betreiberfirma Oceangate Expeditions der Unternehmenschef Stockton Rush (61) als Kapitän des Bootes.
Die Zeit drängt: Schätzungen der Behörden zufolge dürfte der Sauerstoff nur noch bis Donnerstagmittag (MESZ) reichen. Nach Angaben des Betreibers Oceangate Expeditions hat die 6,70 Meter kleine «Titan» ausreichend Sauerstoff, um fünf Menschen für 96 Stunden zu versorgen. In der Nähe der «Titanic» knapp 700 Kilometer südlich der kanadischen Insel Neufundland sind die Bedingungen äußerst schwierig. Es herrscht pechschwarze Dunkelheit, und der Wasserdruck ist groß.
Wie es in dem US-Memo weiter hieß, war das Klopfen auch Stunden nach dem Einsatz zusätzlicher Sonargeräte noch immer zu hören. Ein Update vom Dienstagabend berichtete CNN zufolge von weiteren Geräuschen, die aber nicht mehr als «Klopfen» beschrieben wurden. Die Laute deuteten darauf hin, dass es weiter Hoffnung auf Überlebende gebe. Die US-Küstenwache teilte mit, Tauchroboter seien entsandt worden, um den Ursprung zu erforschen – zunächst aber mit «negativen Ergebnissen».
Sogenannte Sonobojen sind ein wichtiges Hilfsmittel bei der Suche unter Wasser. Die Geräte werden von einem Flugzeug abgeworfen und sinken auf die erforderliche Tiefe. Ein Oberflächenschwimmer mit einem Funksender sichert die Kommunikation zwischen Sonar und Flugzeug. Die Sonargeräte senden Schallenergie aus – als «Ping» bezeichnet – und warten dann auf das zurückkehrende Echo eines Unterwasserobjekts. Sobald das Gerät das Echo auffängt, überträgt es die Informationen zurück an die Oberfläche.
Zweifel an der Sicherheit des Tauchboots
An der Sicherheit der «Titan» kamen zunehmend Zweifel auf. Dafür sorgten auch Aussagen von Oceangate-Chef Rush in einem Podcast des CBS-Reporters David Pogue, der 2022 mit der «Titan» mitgefahren war. «Wissen Sie, irgendwann ist Sicherheit reine Verschwendung», sagte Rush da. «Ich meine, wenn Sie auf Nummer sicher gehen wollen, stehen Sie am besten nicht auf. Steigen Sie nicht in Ihr Auto. Tun Sie gar nichts.» Die BBC berichtete unter Berufung auf US-Gerichtsdokumente, ein Oceangate-Mitarbeiter habe 2018 vor potenziellen Sicherheitsproblemen gewarnt. Mängel im Karbonrumpf des Boots könnten ohne strengere Tests unentdeckt bleiben, hieß es.
Oceangate bietet zahlungskräftigen Kunden eine abenteuerliche Reise – die Kosten für die insgesamt achttägige Expedition liegen bei 250.000 US-Dollar (229.000 Euro) pro Person.
Am Mittwoch waren weitere Schiffe auf dem Weg in das Suchgebiet, das mit rund 26.000 Quadratkilometern größer ist als Mecklenburg-Vorpommern. Darunter war die kanadische «HMCS Glace Bay», die eine Dekompressionskammer und medizinisches Personal an Bord hat. Verunglückte Taucher müssen nach der Rettung möglichst schnell in eine solche Kammer, um bleibende Schäden zu verhindern. Die US-Navy wollte das Tiefsee-Bergungssystem «Fadoss» nach Neufundland schicken. Die Marine beschreibt es als «tragbares Schiffshebesystem, das eine zuverlässige Tiefsee-Hebekapazität von bis zu 27 Tonnen für die Bergung großer, sperriger und schwerer versunkener Objekte wie Flugzeuge oder kleine Schiffe bietet.»
Die «Titanic» war 1912 auf ihrer Jungfernfahrt von Southampton nach New York im Nordatlantik gesunken. Mehr als 1500 der 2200 Menschen an Bord starben. Die in zwei große Teile zerbrochenen Überreste des berühmten Luxusdampfers wurden 1985 entdeckt.