Nato-GeneralsekretĂ€r Jens Stoltenberg geht davon aus, dass Russland seine Kriegsziele in der Ukraine trotz groĂer militĂ€rischer Anstrengungen nicht mehr erreichen kann. Der Zweck der von PrĂ€sident Wladimir Putin angeordneten Invasion sei es gewesen, zu verhindern, dass die Ukraine sich in Richtung Nato und EuropĂ€ische Union bewegt, sagte er kurz vor Weihnachten in einem Interview der Deutschen Presse-Agentur. Nach fast zwei Jahren Krieg sei die Ukraine nun aber nĂ€her an der Nato und der EU als je zuvor.
«PrĂ€sident Putin hat die Ukraine fĂŒr immer verloren», sagte Stoltenberg mit Blick darauf, dass Russland die Ukraine jahrzehntelang als Teil seiner EinflusssphĂ€re sah. Dies sei eine groĂe strategische Niederlage fĂŒr Russland. Er sei sich absolut sicher, dass die Ukraine ihr Ziel eines Nato-Beitritts irgendwann erreichen werde.
Stoltenberg verwies zudem darauf, dass Russland fĂŒr seinen Krieg einen enorm hohen Preis zahlt. Das Land habe bereits Hunderte von Flugzeugen und Tausende von Panzern verloren und 300.000 Soldaten seien getötet oder verwundet worden. Infolge des Krieges steige zudem die Inflation und der Lebensstandard sinke. Auch sei Russland politisch isolierter als zuvor.
Keine Anzeichen fĂŒr Politikwechsel
Gleichzeitig warnte Stoltenberg davor, angesichts der Entwicklungen auf ein schnelles Kriegsende zu setzen und zu glauben, dass Putin nach der voraussichtlichen Wiederwahl am 17. MĂ€rz einen Kurswechsel einleitet. «Wir haben keine Anzeichen dafĂŒr, dass Putin seine Ziele und seine Politik Ă€ndern wird», sagte der frĂŒhere norwegische Regierungschef. «Er wird weiter versuchen, mehr Gebiete zu besetzen.»
FĂŒr die Nato und die 31 Mitgliedstaaten muss daraus aus Sicht von Stoltenberg folgen, dass die UnterstĂŒtzung fĂŒr die Ukraine entschlossen fortgesetzt werden muss. «Die Ukrainer haben gezeigt, dass sie in der Lage sind, sich zu verteidigen, sich zur Wehr zu setzen, besonders, wenn sie Waffen aus Deutschland und vielen anderen Nato-Staaten erhalten», sagte er.
Stoltenberg appelliert an Alliierte
Konkret forderte Stoltenberg die Alliierten dazu auf, zu prĂŒfen, ob der Ukraine nicht durch Ănderungen an bestehende Vereinbarungen mit Drittstaaten mehr RĂŒstungsgĂŒter zur VerfĂŒgung gestellt werden könnten. «Insgesamt mĂŒssen wir unsere Produktion hochfahren, um der Ukraine besser zu helfen und uns besser zu schĂŒtzen», sagte er.
Zuvor hatte sich abgezeichnet, dass die EU-PlĂ€ne fĂŒr die Lieferung von einer Million Artilleriegeschosse an die Ukraine bis zum FrĂŒhjahr 2024 scheitern werden. Als ein Grund dafĂŒr gilt, dass SchĂ€tzungen zufolge derzeit mindestens 40 Prozent der Produktion in Drittstaaten exportiert wird. Die Frage sei tatsĂ€chlich, ob man so viel in DrittlĂ€nder exportieren mĂŒsse, wie man es gegenwĂ€rtig tue, sagte Stoltenberg.
Keine RatschlÀge zur Mobilisierung
Nicht Ă€uĂern wollte sich Norweger in dem Interview zu den Diskussionen ĂŒber die mögliche Mobilisierung weiterer Soldaten in der Ukraine. «Ich werde mich hĂŒten, PrĂ€sident Selenskyj RatschlĂ€ge zu geben, wie er den Krieg am besten fĂŒhren sollte», sagte er. «Niemand kennt den Bedarf an Soldaten besser als die Ukrainer.»
Zu seinem geplanten Ausscheiden aus dem Amt des GeneralsekretĂ€rs im kommenden Herbst und der Bewerbung des scheidenden niederlĂ€ndischen Premierministers Mark Rutte fĂŒr seine Nachfolge Ă€uĂerte sich Stoltenberg in dem Interview nur knapp. «Mark ist ein Freund und er ist ein fĂ€higer MinisterprĂ€sident mit viel Erfahrung. (...) Aber es ist nicht an mir, eine Empfehlung darĂŒber abzugeben, wer mir nachfolgen sollte», sagte der 64-JĂ€hrige.
Das Szenario Trump
Mit Blick auf eine mögliche RĂŒckkehr von Donald Trump ins WeiĂe Haus nach der PrĂ€sidentenwahl in den USA Ă€uĂerte sich Stoltenberg vergleichsweise entspannt. «Ich bin ich zuversichtlich, dass sich die USA weiterhin zur transatlantischen Partnerschaft bekennen werden - unabhĂ€ngig davon, wer zum PrĂ€sidenten gewĂ€hlt wird», sagte er. Die Nato mache die Vereinigten Staaten sicherer und stĂ€rker. Keine andere GroĂmacht auf der Welt, weder Russland noch China, habe etwas Vergleichbares zu dem, was die Vereinigten Staaten mit der Nato hĂ€tten.