Lukaschenko: Prigoschin in Belarus eingetroffen
Der russische Söldnerchef Jewgeni Prigoschin ist nach seinem bewaffneten Aufstand gegen Moskaus Militärführung in Belarus eingetroffen. «Ja, wirklich, er ist heute in Belarus», sagte Machthaber Alexander Lukaschenko am Dienstag in Minsk der staatlichen Nachrichtenagentur Belta zufolge. Prigoschin war im Fall einer Ausreise nach Belarus vom Kreml Straffreiheit zugesichert worden.
Der 62-Jährige, dessen Söldner zuvor monatelang an der Seite der regulären russischen Armee in der Ukraine kämpften, hatte am vergangenen Samstag einen lange schwelenden Machtkampf innerhalb der russischen Militärführung eskalieren lassen. Die Wagner-Kämpfer besetzten erst die südrussische Stadt Rostow am Don und marschierten dann weiter in Richtung Moskau. Ihr praktisch ungehinderter Vormarsch stoppte erst gut 200 Kilometer vor der russischen Hauptstadt. Offiziellen Angaben zufolge soll Lukaschenko im Auftrag Putins mit Prigoschin vermittelt und den Söldnerchef zum Aufgeben überredet haben.
Im Gegenzug sicherte der Kreml Prigoschin Straffreiheit zu. Den aufständischen Wagner-Kämpfern hingegen bot er an, in Russlands Streitkräften zu dienen. Sie könnten aber auf eigenen Wunsch - ebenso wie Prigoschin - auch nach Belarus ausreisen, hieß es.
Experte: Russen werden Prigoschin liquidieren
Nach dem bewaffneten Aufstand der Wagner-Söldner muss Prigoschin aus Sicht des Politikwissenschaftlers Herfried Münkler dennoch um sein Leben bangen. «Ich gehe davon aus, dass die Russen Prigoschin über kurz oder lang liquidieren werden», sagte er «Spiegel Online». Der belarussische Diktator Lukaschenko, der ihm nun offenbar Unterschlupf gewähre, werde dem russischen Geheimdienst dabei kaum im Weg stehen.
Der aufsehenerregende Marsch der Wagner-Truppe Richtung Moskau war nach Münklers Einschätzung wohl eine Reaktion Prigoschins darauf, dass Russlands Verteidigungsminister Sergej Schoigu alle Söldnertruppen unter das Oberkommando des Militärs stellen wollte. «Damit wäre Prigoschin als eigenständiger Akteur ausgeschaltet, sowohl militärisch als auch politisch. Sein Ziel war daher, Schoigu und Oberbefehlshaber Waleri Gerassimow abzusetzen.»
Putin: Wagner-Gruppe war komplett vom Staat finanziert
Russlands Präsident Putin räumte indes erstmals ein, dass die Wagner-Armee vollkommen vom russischen Staat finanziert wurde. «Wir haben diese Gruppe komplett finanziert», sagte Putin der russischen Nachrichtenagentur Interfax zufolge bei einem Treffen mit Soldaten.
Putin hatte die Wagner-Leute am Samstag angesichts ihres Aufstands als «Verräter» bezeichnet. Nach Darstellung Putins erhielt die Gruppe von Mai 2022 bis Mai 2023 insgesamt 86,26 Milliarden Rubel (rund 930 Millionen Euro) aus dem Staatshaushalt. Offiziell nennt sich die Wagner-Armee ein privates Militärunternehmen.
Zugleich kündigte Putin eine Untersuchung der Geldströme bei der Muttergesellschaft der Wagner-Armee, der Concord-Holding, an. Denn während die Wagner-Truppe vollständig vom Staat finanziert worden sei, habe Concord zugleich 80 Milliarden Rubel verdient. «Ich hoffe, dass niemand etwas gestohlen hat oder, sagen wir, ein bisschen gestohlen hat», sagte der Kremlchef.
Kremlchef kündigt Änderungen bei Führung der Streitkräfte an
Putin äußerte sich auch zu den Folgen, die ein erfolgreicher Aufstand der Wagner-Armee für den Fortgang des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine hätte haben können. Vieles Erreichte wäre bei der «militärischen Spezialoperation» nach Worten des Kremlchefs in dem Fall «verloren gegangen».
Prigoschins Wagner-Einheiten waren eine der schlagkräftigsten und brutalsten Truppen im seit 16 Monaten andauernden russischen Angriffskrieg. Neben vielen Ex-Häftlingen sind in der Privatarmee hochprofessionelle Söldner mit langer Kampferfahrung im Einsatz.
Putin kündigte «in nächster Zukunft» Veränderungen in der Führungsetage der russischen Streitkräfte an. Das «Rückgrat» der Streitkräfte-Führung werde künftig aus Personen zusammengesetzt sein, die sich im Kampfeinsatz bewährt hätten. Dazu gehöre auch der Bereich der Luftwaffe. Der Kremlchef äußerte sich nicht dazu, ob er an seinem Verteidigungsminister Schoigu festhält.
Schoigu steht seit Monaten wegen der Misserfolge beim Angriffskrieg gegen die Ukraine in der Kritik und hatte auch dem Aufstand Prigoschins - eines seiner größten Widersachers - nichts entgegenzusetzen.
Putin: Faktisch «Bürgerkrieg» in Russland verhindert
Zuvor hatte Putin in einer Rede den Sicherheitsdiensten für ihren Einsatz zum Schutz Russlands gedankt. Soldaten und Mitarbeiter der Geheimdienste hätten sich dem Versuch einer Revolte am 24. Juni entgegengestellt und so einen «Bürgerkrieg» verhindert, sagte Putin bei der Rede vor Uniformierten auf dem Kremlgelände. Unter den Anwesenden war auch Schoigu.
«Sie haben die verfassungsmäßige Ordnung, das Leben, die Sicherheit und die Freiheit unserer Bürger verteidigt, unsere Heimat vor Erschütterungen bewahrt, faktisch einen Bürgerkrieg verhindert», sagte Putin bei der Rede, die im Staatsfernsehen gezeigt wurde. «Wir wussten, dass wir gewinnen, die Aufständischen hätten Moskau nicht eingenommen», betonte er.