Lichtblick in der DFB-Düsternis: EM «klares Ziel» für Thiaw
Beim Training waren die TV-Kameras und Objektive der Fotografen plötzlich auf einen baumlangen Fußballer gerichtet, der bis dato kein begehrtes Nationalmannschafts-Motiv gewesen war. Malick Thiaw ist schlagartig zu einem Lichtblick in der DFB-Düsternis geworden.
Unter lauter deutschen Verlierern war der forsche Abwehr-Debütant beim 0:1 in Warschau gegen Polen der einzige Gewinner. Der Abwehrspieler von der AC Mailand, der beim FC Schalke 04 zum Profi ausgebildet wurde, haderte zwar ebenfalls mit der «unnötigen Niederlage». Schuld am nächsten DFB-Frusterlebnis trug er jedoch nicht.
Thiaw sticht aus verunsicherter DFB-Elf hervor
Hansi Flick hob Thiaw sogar als «Highlight» des nächsten misslungenen Länderspiels hervor. Der Youngster habe «sehr solide» und «sehr reif» gespielt, lobte der Bundestrainer. Auch Antonio Rüdiger war nach seinem 60. Länderspiel sehr beeindruckt. «Er hat super gespielt und Persönlichkeit gezeigt. Es war ein sehr, sehr gutes Debüt, sehr, sehr positiv», sagte der 30 Jahre alte Innenverteidiger von Real Madrid zu Thiaw. Beim Kreisspiel gehörte er dann beim Training auf dem Frankfurter DFB-Campus prompt zur illustren Gruppe um Champions-League-Sieger Ilkay Gündogan, Toni Rüdiger und Emre Can.
Thiaw füllte in einer verunsicherten Nationalelf beim zweiten Dreierketten-Test nach dem wilden 3:3 gegen die Ukraine gleich den verantwortungsvollen Job als zentraler Defensiv-Akteur aus, neben den international erfahrenen Antonio Rüdiger und Thilo Kehrer. «Natürlich muss ich in der Mitte viel reden. Aber ich habe neben mir zwei Topleute. Und vor allem Toni hat mir hier von Tag eins an sehr viel geholfen», bemerkte der 1,94 Meter große Thiaw.
Am Spieltag hatte er von Flick erfahren, dass er auflaufen werde. Aber er hatte es schon geahnt, «weil ich beim Training in der Startelf war». Thiaw ging robust in die Zweikämpfe, auch gegen Polens Topstar Robert Lewandowski. Und er hätte sogar beinahe das 1:1 erzielt. Seinen Schuss aus der Drehung konnte Polens Torwart Wojciech Szczesny mit einem Reflex abwehren. «Ich konnte dem Ball nicht genau nachsehen, weil er so schnell war. Ich habe nur die Parade gesehen», schilderte Thiaw. Torschütze beim Debüt – das wär’s gewesen.
Thiaw: «Heim-EM ein klares Ziel für mich»
DFB-Sportdirektor Rudi Völler führte Thiaws starken Auftritt prompt an, um Flicks kritisch hinterfragten Experimentierkurs zu verteidigen: «Sonst hätten wir vielleicht gar nicht sehen können, welch großes Talent wir mit Malick Thiaw auf der Innenverteidigerposition haben.»
Anfang des Jahres war Thiaw noch fest für die anstehende EM der U21-Junioren vorgesehen gewesen. Jetzt nimmt er die viel größere Heim-Europameisterschaft 2024 ins Visier. «Das ist ein klares Ziel für mich», sagte Thiaw. Der Zehn-Millionen-Euro Transfer von Schalke zu Milan war für ihn ein Karrierebeschleuniger. «Ich bin Mailand unglaublich dankbar für die Entwicklung und dass sie mir die Chance gegeben haben. Ich bin mit der Entwicklung sehr zufrieden», erzählte er ganz unaufgeregt in Warschau in den Stadion-Katakomben.
Am kommenden Dienstag (20.45 Uhr/RTL) kehrt er nun nach Schalke zurück. Im letzten EM-Test vor der Sommerpause gegen Kolumbien möchte er in Gelsenkirchen, das so lang seine fußballerische Heimat war, dann gerne nicht das einzige «Highlight» im DFB-Team sein.