Zentralbanken

Leitzinsen treiben Hypotheken in England an

Die britische Zentralbank hebt erneut den Leitzins an - und das deutlich. Damit will sie die Inflation bekämpfen, die hartnäckig hoch bleibt. Für Verbraucher hat das ganz konkrete Folgen.

Leitzinsen treiben Hypotheken in England an

Experten sprechen von einer «tickenden Zeitbombe»: Wegen rasant steigender Zinsen für Hypotheken müssen Immobilienbesitzer in Großbritannien unbezahlbare Kosten fürchten. Denn die Bank of England erhöhte am Donnerstag ihren Leitzins deutlich von 4,5 auf 5 Prozent.

Die 13. Anhebung in Folge sei unausweichlich, hatte der Ökonom Suren Thiru vom Institute of Chartered Accountants in England and Wales bereits zuvor mit Blick auf die hartnäckig hohe Inflation gesagt. Doch ein solcher Schritt bedeutet für Eigenheimbesitzer, die Hypotheken mit variablem Zinssatz bedienen müssen, höhere Zahlungen.

In Großbritannien werden Immobilien meistens variabel finanziert. Hingegen sind in Deutschland Kredite mit 10 oder 15 Jahren Zinsbindung üblich.

Höchstes Niveau seit 2008

Bereits jetzt liegt der Leitzins in Großbritannien auf dem höchsten Niveau seit der Finanzkrise 2008. Der Straffungsprozess von fast null Prozent Ende 2021 auf nun 5 Prozent ist einer der schärfsten, den die britische Wirtschaft je zu verkraften hatte. Hintergrund ist der starke Anstieg der Inflation, der vor allem auf den russischen Krieg gegen die Ukraine zurückgeht.

Ein Zinsanstieg hat konkrete Folgen. Die Hypothekenrückzahlungen für einen durchschnittlichen Haushalt, der eine Umschuldung vornimmt, würden um 2900 Pfund (3375 Euro) pro Jahr zulegen, rechnete die Denkfabrik Resolution Foundation vor. Die Erhöhung treffe bis 2026 etwa 7,5 Millionen Haushalte. Der Thinktank Institute for Fiscal Studies (IFS) warnte, wegen Zinserhöhungen könnten 1,4 Millionen Hypothekeninhaber mindestens ein Fünftel ihres verfügbaren Einkommens verlieren. Eine YouGov-Umfrage für die Schuldenhilfe Stepchange ergab, dass schon jetzt fast die Hälfte der Hypothekeninhaber Probleme mit Kreditverpflichtungen und Rechnungen hat.

Weniger Jüngere kaufen Eigenheim

Die Zahl der Immobilienbesitzer, die eine Hypothek bedienen muss, ist seit 1989 von 40 auf 30 Prozent gefallen. Ältere Menschen haben ihre Hypotheken abgezahlt. Zudem kaufen weniger Jüngere ein Eigenheim, hohe Kosten verwehren ihnen den Sprung auf die «Immobilien-Leiter». Nach wie vor aber ist der Wunsch nach Eigentum unter Britinnen und Briten weit verbreitet. Gemietet wird in aller Regel nur für eine begrenzte Zahl von Jahren, auch weil Mieter im Vergleich zu Deutschland deutlich weniger Rechte haben.

Der prominente Verbraucherschützer Martin Lewis forderte «harten oder weichen politischen Druck» auf die Banken. Mit Premierminister Rishi Sunak habe er besprochen, dass Banken ihre Margen erhöhten, sagte Lewis dem Sender ITV. «Das heißt, sie erhöhen Hypotheken, aber nicht die Sparzinsen, so dass sie mehr Geld verdienen.» Falls die Leitzinsen jahrelang weiter steigen – Resolution erwartet eine Anhebung auf 6 Prozent bis Mitte 2024 -, müssten viele Menschen ihre Finanzen auf den Kopf stellen. «Das wird ein Alptraum», sagte Lewis.

Labour-Partei zu Tories: «wirtschaftlicher Vandalismus»

Von der Regierung dürfen Verbraucher aber keine Extra-Hilfe erwarten. Sunak räumte zwar ein, die Inflation setze vor allem Familien stark zu. Er habe aber bereits «entschieden» gehandelt. Zuletzt hatte die konservative Regierung auf bestehende Hilfen etwa bei Energierechnungen verwiesen. Der Regierungschef hat versprochen, die Inflation zu halbieren. Er argumentiert, staatliche Eingriffe würden die Verbraucherpreise nur weiter antreiben. Die oppositionelle Labour-Partei wirft den Tories hingegen «wirtschaftlichen Vandalismus» vor.

Sorgen bereitet den Eigentümern zudem, dass die Häuserpreise zuletzt deutlich gefallen sind. Im April kostete eine Immobilie im Durchschnitt 286.000 Pfund. Das waren 7000 Pfund weniger als noch beim Hoch im September 2022, wie das Statistikamt ONS mitteilte.

Deutsche Wohnimmobilien wertstabiler

Die Immobilienpreise in Großbritannien schwanken einer Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) zufolge viel stärker als in Deutschland. «Der deutsche Wohnungsmarkt ist resilient gegenüber plötzlichen Wertschwankungen, eine konservative Immobilienfinanzierung mit langer Zinsbindung und hohe Transaktionskosten beruhigen den Transaktionsmarkt», sagte IW-Immobilienexperte Michael Voigtländer.

Deutsche Wohnimmobilien seien auch wertstabiler als in Frankreich und den Niederlanden. Jedoch gelten die Kaufnebenkosten für Grundbucheintrag, Makler und Notar in Deutschland im internationalen Vergleich als hoch.

Gerade in Zeiten der Niedrigzinsen bis in das vergangene Jahr hinein sicherten sich viele Bundesbürger langfristig attraktive Kreditkonditionen. Das hält die Belastung für Kreditnehmer gering: Die Zahl der Zwangsversteigerungen in Deutschland sinkt nach Analysen des Fachverlags Argetra seit Jahren. Expertenwarnungen vor wieder steigenden Notverkäufen haben sich bislang nicht bewahrheitet.

Mit den stark gestiegenen Kreditzinsen sind die Immobilienpreise aber auch in Deutschland ins Rutschen geraten. Im Schlussquartal 2022 gaben sie im Schnitt um 3,6 Prozent zum Vorjahreszeitraum nach – laut Statistischem Bundesamt der stärkste Rückgang seit 16 Jahren.