Russische Invasion

Krieg gegen die Ukraine: So ist die Lage

Nach dem Austausch des Oberbefehlshabers setzt Selenskyj den Umbau seiner Armee fort. Dabei überspringt er ranghohe Generäle. Der Überblick.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat nach eigenen Angaben zwei neue Stellvertreter für den Oberbefehlshaber des Militärs ernannt - und dabei einige hochrangige Generäle übergangen. «Stellvertreter von Oberbefehlshaber Syrskyj werden Oberst Wadim Sucharewskyj - sein Gebiet sind autonome Systeme und die Entwicklung des Einsatzes von Drohnen für unsere Soldaten - und Oberst Andrij Lebedenko - sein Gebiet sind Innovationen und die technologische Komponente der Armee und der Kampfsysteme», sagte Selenskyj in seiner täglichen Videoansprache. Damit hat er einer Reihe von Generälen zwei Offiziere niederen Dienstgrads als Vorgesetzte vor die Nase gesetzt.

Selenskyj begründete die Ernennungen mit der Notwendigkeit, neue Technologien beim Militär zu forcieren. Dies diene dazu, die Verluste an der Front zu mindern, sagte der 46-Jährige. Schon nach dem Austausch des Oberkommandierenden hatte Selenskyj einen großangelegten Umbau an der Führungsspitze der Armee angekündigt. Tatsächlich wechselte er auch noch drei Stellvertreter des Generalstabschefs aus. Mit Wolodymyr Horbatjuk, Olexij Schewtschenko und Mychajlo Drapato ernannte er in dem Fall aber drei erfahrene Brigadegeneräle.

Selenskyj erwähnte auch die eigene Produktion von Waffen und Munition. Bei Besprechungen seien die notwendigen Anweisungen erteilt worden, sagte der Staatschef. Die Ukraine leidet wegen der nur noch spärlich fließenden westlichen Waffenhilfe unter einem zunehmenden Munitionsmangel. Die Kooperation mit ausländischen Partnern bleibt nach Angaben Selenskyjs für Kiew aber wichtig. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron habe er bei einem Telefonat um Waffen der elektronischen Kampfführung, Flugabwehr und Artillerie gebeten, teilte Selenskyj mit.

Die Ukraine verteidigt sich seit fast zwei Jahren gegen den russischen Angriffskrieg. Auch in der Nacht zum Sonntag gab es wieder vielerorts in dem Land Luftalarm. Die ukrainische Luftabwehr berichtete von Shahed-Drohnen, die unter anderem in Richtung der Hauptstadt Kiew flogen. Später gab die Militärverwaltung von Kiew Entwarnung.

Syrskyj lobt Neuernennungen

Oberbefehlshaber Olexander Syrskyj, den Selenskyj Medienberichten zufolge nach Streitigkeiten mit dessen Vorgänger Walerij Saluschny auf den Posten gesetzt hat, trägt die Umbesetzung seines Umfelds zumindest in der Öffentlichkeit voll mit. «Sie alle sind erfahrene Offiziere, die über enormes Wissen und Erfahrung verfügen, die unseren Sieg sicherlich beschleunigen werden», kommentierte er die neuernannten Vize. Syrskyj hatte als eine seiner Prioritäten den Ausbau des Drohnenkampfs genannt - mit Sucharewskyj soll ein entsprechender Experte auf dem Gebiet gefunden sein.

Kiew: Lage an der Front im Süden und Osten ist schwer

Die Lage an der Front ist nach Angaben der ukrainischen Militärführung schwer. Insgesamt seien im Tagesverlauf 87 russische Sturmversuche abgewehrt worden, teilte der Generalstab in Kiew in seinem Lagebericht mit. Besonders schwere Kämpfe gibt es demnach an zwei Frontabschnitten nahe der bereits seit 2014 von russischen Kräften kontrollierten Großstadt Donezk. 

Dort haben russische Truppen demnach im Tagesverlauf gut zwei Drittel ihrer Angriffe gestartet. Konkret geht es um die Frontabschnitte bei Awdijiwka, das schon seit Monaten von russischen Truppen gestürmt wird, und Marjinka. Dort soll das Moskauer Militär unbestätigten Berichten zufolge nahe der südlich von Marjinka gelegenen Ortschaft Nowomychajkiwka vorankommen.

Deutschland und andere Länder gegen russische Desinformation

Deutschland, Frankreich und Polen wollen nach Angaben des französischen Außenministers Stéphane Séjourné beim Kampf gegen russische Desinformation zusammenarbeiten. Das kündigte der Politiker in einem gemeinsamen Interview der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung», der polnischen Zeitung «Gazeta Wyborcza» und der «Ouest-France» an. «Unsere drei Länder sind Opfer der gleichen Destabilisierungsstrategie geworden. Wir werden eine neue Zusammenarbeit gegen russische Desinformation ankündigen», sagte Séjourné.

Als Arten der Angriffe nannte der Politiker Trollfabriken und gefälschte Nachrichtenseiten. «Wir werden die Instrumente dieser Desinformation transparent offenlegen. Wir werden Angriffe enthüllen, die begangen wurden. Und zwar mit Beweisen.» Es gebe übereinstimmende Hinweise darauf, dass es zudem sogenannte Schläferoperationen gebe - Instrumente, die jederzeit aktiv werden könnten, insbesondere während einer Wahl. 

Was heute wichtig wird

Der heutige Tag wurde in der Region Charkiw zum Trauertag erklärt. Vorausgegangen waren verheerende Drohnenangriffe in der Nacht zum Samstag, bei denen sieben Menschen ums Leben kamen. Unter den Opfern waren auch drei kleine Kinder. Die Ukraine verteidigt sich zugleich mit aller Kraft gegen die russischen Angriffe. Vor allem im Osten und im Süden versuchen die russischen Streitkräfte, weitere Ortschaften zu besetzen.