Krieg gegen die Ukraine: So ist die Lage
Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine richtet nach Meinung der Führung in Kiew inzwischen immer mehr Schaden in Russland selbst an.
Es sei erkennbar, «dass der Krieg in seinen Heimathafen zurückkehrt», sagte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj in seiner abendlichen Videobotschaft. Es blieb unklar, ob er damit die wirtschaftlichen Probleme Russlands oder den kurzzeitigen Aufstand der Wagner-Söldner vom Wochenende meinte. «Je länger die russische Aggression anhält, desto mehr Schaden richtet sie in Russland selbst an», sagte Selenskyj.
Ukraine meldet Gewinne im Süden
Die ukrainische Armee befreite eigenen Angaben zufolge seit dem Beginn ihrer Gegenoffensive vor etwa drei Wochen insgesamt 130 Quadratkilometer im Süden des Landes. Alleine in der vergangenen Woche seien 17 zusätzliche Quadratkilometer der von Russland besetzten Region Saporischschja zurückerobert worden, teilte die ukrainische Vize-Verteidigungsministerin Hanna Maljar auf Telegram mit. Das bislang befreite südukrainische Gebiet entspricht damit in etwa der Größe der nordrhein-westfälischen Großstadt Krefeld.
Auch aus dem Osten meldete die Ukraine kleinere Erfolge. Laut Maljar rückte die Armee im Laufe der Vorwoche an mehreren Stoßrichtungen um je ein bis zwei Kilometer vor - trotz erbitterter Gegenwehr der Russen. Die ukrainische Armee habe zudem an mehreren Stellen der Front - darunter bei Bachmut, Lyman und Awdijiwka - russische Gegenangriffe zurückgeschlagen.
Ministerin: Armee befreit weiteres Dorf in der Ostukraine
Im ostukrainischen Donezker Gebiet hat die ukrainische Armee eigenen Angaben zufolge ein weiteres Dorf von russischen Truppen befreit. «Weiter geht's», schrieb Maljar bei Telegram mit Blick auf die Einnahme des Ortes Riwnopil.
Russische Angriffe in Region Saporischschja
Russische Truppen haben in der zentralukrainischen Region Saporischschja eine Reihe von Angriffen mit unterschiedlichen Waffensystemen geführt. Nach Angaben des ukrainischen Generalstabs vom Morgen wurden unter anderem mindestens sechs modifizierte Flugabwehrraketen vom Typ S-300 eingesetzt. Daneben seien seit Sonntag 33 Luftangriffe und 45 Angriffe aus Mehrfachraketenwerfern registriert worden. «Infolge der russischen Terroranschläge wurden Zivilisten verletzt und Wohnhäuser, Geschäfts- und Verwaltungsgebäude sowie Privatfahrzeuge beschädigt», heißt es im neuesten Lagebericht. Die Angaben konnten nicht unabhängig überprüft werden.
Russische Truppen versuchten dem Generalstab zufolge in der Region südlich von Saporischschja den Vorstoß ukrainischer Einheiten zu stoppen und verlorene Stellungen zurückzuerobern. Dabei seien mindestens 30 Siedlungen von russischer Artillerie beschossen worden.
Selenskyj hatte zuvor vor Sicherheitsrisiken rund um das von russischen Kräften kontrollierte Akw Saporischschja gewarnt, das größte Kernkraftwerk in Europa. «Leider ist die Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit für die bestehende russische Bedrohung im Kernkraftwerk Saporischschja immer noch unzureichend», klagte Selenskyj. Die westlichen Partner der Ukraine hätten alle verfügbaren Geheimdienstinformationen über die russischen Pläne für das AKW erhalten. «Wir müssen ganz konkrete Maßnahmen ergreifen, und zwar alle gemeinsam in der Welt, um jegliche Strahlungsvorfälle zu verhindern», warnte er mit Blick auf eine mögliche Sabotage der Anlage durch die russischen Besatzer.
Kiew hofft weiter auf Einladung zu Nato-Mitgliedschaft
Mit Blick auf den Nato-Gipfel in zwei Wochen in Vilnius unternehme die Ukraine «alles, was wir können, um sicherzustellen, dass der Gipfel echte Inhalte hat», fuhr Selenskyj fort. Beschlüsse zugunsten der Ukraine bei dem Treffen seien die einzig möglichen positiven Entscheidungen für die Sicherheit in Europa und für das Bündnis insgesamt. Trotz anderslautender Prognosen hofft Kiew weiterhin auf eine Einladung zur Mitgliedschaft in dem Verteidigungsbündnis.
Luftangriffe auf Hafenstadt Odessa - Alarm in Kiew
Die südukrainische Hafenstadt Odessa wurde in der Nacht mit Raketen und sogenannten Kamikaze-Drohnen angegriffen. In der Stadt seien mehrere Explosionen zu hören gewesen, berichtete die ukrainische Nachrichtenagentur Ukrinform. Weitere Angaben wurden nicht gemacht. Auch in der Hauptstadt Kiew und anderen Regionen des Landes wurde Luftalarm ausgelöst. Kurz zuvor hatte die ukrainische Luftwaffe vor möglichen russischen Angriffen mit - von Schiffen im Schwarzen Meer abgeschossenen - Marschflugkörpern gewarnt.
China unterstützt Russlands Bemühen um Stabilität
China unterstützt nach eigenen Angaben die russischen Bemühungen zur Aufrechterhaltung der nationalen Stabilität. Nach der Wagner-Revolte hieß es in einer kurzen Mitteilung des Pekinger Außenministeriums: «Das ist Russlands interne Angelegenheit.» Als «freundlicher Nachbar» und strategischer Kooperationspartner «unterstützt China Russland darin, die nationale Stabilität zu wahren und Entwicklung und Wohlstand zu erreichen».
Australien schickt weitere militärische Ausrüstung
Australien unterstützt die ukrainischen Streitkräfte mit weiterer militärischer Ausrüstung und humanitärer Hilfe im Wert von 110 Millionen Australischen Dollar (67 Millionen Euro). Unter anderem würden 70 Militärfahrzeuge geliefert, darunter 28 M113-Panzerfahrzeuge, sagte Premierminister Anthony Albanese.
Das Land habe der Ukraine seit der Invasion Russlands im Februar 2022 bereits Material im Wert von mehr als 650 Millionen australischen Dollar zur Verfügung gestellt, darunter Bushmaster-Panzerfahrzeuge, Haubitzen des britischen Typs M77 und Drohnen, berichtete der australische Sender ABC. Die Ukraine wiederum habe Australien wiederholt aufgefordert, auch ausgemusterte Kampfflugzeuge und Hawkei-Patrouillenfahrzeuge zu schicken - beides sei aber in der Lieferung nicht enthalten, hieß es in dem Bericht. Er habe diese Entscheidung nach Beratungen mit den australischen Verteidigungsstreitkräften getroffen, sagte Albanese.
Dänemark will F-16 früher ausmustern - Spende an Ukraine
Das Nato-Mitglied Dänemark will seine F-16-Kampfjets zwei Jahre früher als geplant ausrangieren und damit möglicherweise den Weg zu einer Spende der Flugzeuge an die Ukraine ebnen. Die Maschinen der dänischen Luftwaffe sollen nun bereits 2025 statt wie bisher angedacht 2027 ausgemustert werden, wie der dänische Rundfunksender DR am Montag berichtete. Damit rücke auch eine dänische Spende der Kampfflugzeuge an die Ukraine näher, sagte der geschäftsführende Verteidigungsminister Troels Lund Poulsen dem Sender.
Deutschland will weiter keine Marschflugkörper liefern
Deutschland ist weiterhin nicht bereit, der Ukraine die gewünschten Marschflugkörper vom Typ Taurus zu liefern. «Zu den Langstreckenwaffen will ich noch mal sehr deutlich sagen, dass wir da nach wie vor zurückhaltender Position sind, übrigens genauso, wie unsere amerikanischen Partner», sagte Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) am Montag bei seinem Besuch in Litauen. «Da hat sich an unserer Einschätzung nichts geändert im Augenblick.»
Baerbock will in Südafrika gegen russischen Krieg werben
Außenministerin Annalena Baerbock will in Südafrika für einen stärkeren Einsatz für ein Ende des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine werben. «Wenn das Land Nelson Mandelas und Desmond Tutus seine Stimme gegen Unrecht erhebt, hört die Welt hin», erklärte die Grünen-Politikerin vor ihrem Abflug nach Südafrika mit Blick auf die Kämpfer gegen das Anfang der 1990er Jahre abgeschaffte rassistische Apartheid-System. Deswegen wolle sie bei ihrem Besuch in der Hauptstadt Pretoria «auch darüber sprechen, wie Südafrika sein Gewicht für ein Ende der russischen Aggression und die Wahrung der UN-Charta in die Waagschale werfen kann».
Staudamm-Zerstörung: Wasserstand bei Cherson wieder normal
Drei Wochen nach der Zerstörung des südukrainischen Kachowka-Staudamms ist der Wasserstand im umkämpften Gebiet Cherson teils wieder normal. Nahe der gleichnamigen Regionshauptstadt Cherson betrug der Stand des Dnipro am Montagvormittag 33 Zentimeter, wie der ukrainische Krisenstab auf Telegram mitteilte. Dies entspräche den dortigen Messwerten vor der Damm-Zerstörung.
Zugleich ist der Kachowka-Stausee nach Angaben der ukrainischen Rettungskräfte ausgetrocknet. Der Dnipro - der drittlängste Fluss Europas - ist demnach an manchen Stellen flussabwärts vom zerstörten Damm nur noch ein Bach. Die ukrainische Wasserbehörde Ukrhydroenerho kündigte an, nach der kompletten Befreiung der Region dort schnell temporäre Damm-Konstrukte zu bauen. Mehrere Regionen des Landes sollen dadurch mit Wasser versorgt werden.