Justizminister Eisenreich weist Kritik an Razzia zurück
Bayerns Justizminister Georg Eisenreich (CSU) hat Kritik an der umstrittenen Durchsuchungsaktion bei Umweltaktivisten der Letzten Generation zurückgewiesen. Im Innenausschuss des bayerischen Landtags widersprach er insbesondere Spekulationen und Mutmaßungen, die CSU-geführte Staatsregierung habe die Aktion aktiv vorangetrieben, um bewusst ein Zeichen zu setzen.
«Das Ministerium hat zu den Ermittlungen keine Weisungen erteilt und auch sonst keinen Einfluss auf die Ermittlungen genommen», betonte er. Eisenreich räumte aber ein, dass ein Warnhinweis der Behörden auf einer beschlagnahmten Internetseite zunächst fehlerhaft gewesen sei.
Ende Mai hatten rund 170 Beamte bei einer Razzia gegen die Letzte Generation Wohnungen und Geschäftsräume in sieben Bundesländern durchsucht, wie die Generalstaatsanwaltschaft München und das Bayerische Landeskriminalamt mitteilten. Der Tatvorwurf lautet auf Bildung beziehungsweise Unterstützung einer kriminellen Vereinigung. Die Aktivisten bestreiten, kriminell zu sein, obwohl mehrere Mitglieder der Gruppe wegen Straftaten verurteilt wurden, teils zu Haftstrafen. Die Razzia wurde von vielen Seiten als übertrieben kritisiert. Die Gruppe selbst beklagte unter anderem, ihre Mitglieder fühlten sich wie «Schwerverbrecher behandelt». Von vielen anderen Seiten wurde die Durchsuchungsaktion aber auch verteidigt.
Justizministerium fand Ermittlungsverfahren «gut vertretbar»
Nach Worten Eisenreichs war eine Strafanzeige eines Rechtsanwalts Anlass für das Ermittlungsverfahren, mittlerweile lägen 13 Strafanzeigen gegen Mitglieder der Letzten Generation vor. Der Anfangsverdacht gegen einzelne Mitglieder sei auch von einem unabhängigen Gericht bestätigt worden – der Durchsuchungsbeschluss sei von einem unabhängigen Gericht erlassen worden, betonte er.
Eisenreich sagte, so wichtig der Kampf für Klimaschutz sei – Straftaten im Namen des Klimaschutzes könne der Rechtsstaat nicht hinnehmen. «Gute Absichten» änderten an Straftaten nichts.
Das Justizministerium sei über das Verfahren, wie in solchen Fällen üblich, zwar mehrfach informiert worden. Geprüft werde dort aber nur, ob das Handeln der Staatsanwaltschaft vertretbar sei. Und in dem Fall sei man in der zuständigen Fachabteilung des Ministeriums zu der Einschätzung gekommen, dass dieses sogar «gut vertretbar» sei. Es habe aber nur die Berichte gegeben und keine Absprachen, hieß es.
Eine Nachfrage, ob vor dem Erlass des Durchsuchungsbeschlusses andere Richter eine solche Maßnahme abgelehnt hätten, konnte Eisenreich spontan nicht beantworten. Er sicherte aber volle Transparenz zu.
«Es gilt die Unschuldsvermutung, selbstverständlich»
Viel kritisiert wurde damals zudem die Abschaltung der Internetseite der Gruppierung mit dem Hinweis «Die Letzte Generation stellt eine kriminelle Vereinigung gemäß § 129 StGB dar». Die Behörden mussten hier umgehend zurückrudern und betonten, es bestehe bislang nur ein Anfangsverdacht, dass es sich um eine kriminelle Vereinigung handle.
Eisenreich räumte ein, durch die Formulierung sei ein unzutreffender Eindruck entstanden. Die öffentliche Kritik sei deshalb auch berechtigt gewesen. «Im Ermittlungsverfahren gilt die Unschuldsvermutung, selbstverständlich, da gibt es keinen Zweifel.» Und das müsse auch für jede Äußerung einer Staatsanwaltschaft gelten.
Ermittler gehen von «konspirativ operierender Struktur» aus
Die Generalstaatsanwaltschaft stützte den von ihr angenommenen Anfangsverdacht laut Eisenreich auf diverse Punkte: Die Letzte Generation verfüge laut Einschätzung der Ermittler «über eine professionalisierte hierarchische und konspirativ operierende Struktur» mit mittlerweile bundesweit mehreren hundert Aktivisten. Ein «prägendes Ziel» sei die Begehung auch von Straftaten zur Erlangung medialer Aufmerksamkeit. Dies zeige sich zum Beispiel daran, dass bei Rekrutierungen ausdrücklich Aktivisten gesucht würden, die bereit seien, ins Gefängnis zu gehen, sagte er.
Zudem verwiesen die Ermittler darauf, dass die zahlreichen Straftaten eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit darstellten. Gegenstand des Verfahrens sei darüber hinaus auch ein versuchter Angriff auf eine wichtige transalpine Ölleitung. Insgesamt lasse sich nach Ansicht der Ermittler eine «Eskalationstendenz» feststellen, sagte Eisenreich. Die Durchsuchungen hätten der Sicherstellung von Beweismitteln und Geldmitteln zur Begehung von Straftaten gedient.
Die Letzte Generation macht regelmäßig mit Sitzblockaden und Aktionen in Museen auf die Folgen der Erderhitzung aufmerksam. Ihre Mitglieder kleben sich dabei häufig an Straßen oder Kunstwerken fest – behindern damit aber auch Einsatzfahrzeuge. Auch Attacken auf Einrichtungen der Ölindustrie werden ihnen vorgeworfen. Mit ihrem Protest will die Letzte Generation klimapolitische Defizite anprangern – etwa mit Blick auf die immensen klimaschädlichen Emissionen des Autoverkehrs.
Zu Vorwürfen einzelner Betroffener außerhalb Bayerns, Polizisten seien mit gezogenen Waffen zu den Durchsuchungen gekommen, konnte Innenstaatssekretär Sandro Kirchner (CSU) nichts sagen. In Bayern sei jedenfalls kein Objekt mit gezogener Schusswaffe betreten worden.