Prozesse

Gericht sieht Mitschuld von Benedikt an Missbrauchsfall

Das Landgericht Traunstein äußert eine vorläufige Rechtsauffassung, wonach der spätere Papst Benedikt als Erzbischof von München und Freising von der Vergangenheit eines missbrauchenden Priesters wusste.

Gericht sieht Mitschuld von Benedikt an Missbrauchsfall

Das Landgericht Traunstein sieht eine Mitschuld von Kardinal Joseph Ratzinger an einem Missbrauchsfall in Garching an der Alz. Der spätere Papst Benedikt XVI. habe 1980 als Erzbischof von München und Freising an einer Sitzung teilgenommen, in der beschlossen wurde, dass ein wegen Missbrauchsverdachts aus Nordrhein-Westfalen versetzter Priester in der Erzdiözese eingesetzt wird.

Darum habe er «entsprechend Kenntnis von dem Vorleben» des Priesters gehabt, sagte die Vorsitzende Richterin Elisabeth Nitzinger-Spann am Dienstag. Und dennoch sei der Mann dann «ohne weitere Beschränkungen und Vorkehrungen» übernommen und weiter in der Kinder- und Jugendseelsorge eingesetzt worden. Auch aus dem Verhalten Ratzingers ergibt sich aus Sicht des Gerichts ein Schmerzensgeldanspruch des Klägers gegen das Erzbistum. Bei der Sicht des Gerichts handelt es sich um eine vorläufige Rechtsauffassung.

Erst bestritten, dann von einem Irrtum gesprochen

Die Teilnahme Ratzingers an der Sitzung hatte bei der Vorstellung des Münchner Missbrauchsgutachtens im vergangenen Jahr Schlagzeilen gemacht. Der emeritierte Papst hatte zunächst bestritten, an der Sitzung teilgenommen zu haben, dann aber von einem Irrtum gesprochen und eingeräumt, doch dabei gewesen zu sein. Er teilte damals mit, bei der Sitzung seien die Vorwürfe gegen Priester H., die zu seiner Versetzung nach Bayern führten, nicht zur Sprache gekommen und bestritt, davon Kenntnis gehabt zu haben.

In dem Traunsteiner Verfahren fordert der Kläger Andreas Perr 300.000 Euro Schmerzensgeld von der Erzdiözese München und Freising sowie dem verurteilten Missbrauchstäter Priester H. Perr hat angegeben, Mitte der 1990er Jahre im Pfarrhaus von Garching an der Alz von Priester H. missbraucht worden zu sein. Weder der Geistliche noch das Erzbistum bestreiten den Vorfall.

Dass dem Kläger Schmerzensgeld und Schadenersatz zustehen, sei klar, sagte die Vorsitzende Richterin bei der Erläuterung ihrer vorläufigen Rechtsauffassung. «Es stellt sich nur noch die Frage nach der Höhe des Anspruchs.»

Auch Ratzinger war bis vor kurzem Beklagter. Das Verfahren gegen ihn wurde aber abgetrennt, weil nach seinem Tod an Silvester noch immer unklar ist, wer seine Rechtsnachfolge antritt und damit gewissermaßen auch das Verfahren erbt.