Migration

Faeser: Bekommen «das modernste Einwanderungsrecht der Welt»

Qualifizierte Fachkräfte sollen künftig weniger beschwerlich nach Deutschland kommen können. Bürokratie soll abgebaut werden. Doch wie? Die Vorstellungen darüber gehen weit auseinander.

Faeser: Bekommen «das modernste Einwanderungsrecht der Welt»

Sehr unterschiedliche Vorstellungen über die Migrationspolitik sind in der abschließenden Debatte zur Reform des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes aufeinandergeprallt. In der zweiten Lesung stellten sich die Koalitionsfraktionen am Freitag im Bundestag geschlossen hinter das Gesetz, während Union und AfD dagegen stimmten und sich die Linksfraktion enthielt. Anschließend begann die namentliche Schlussabstimmung.

Deutschland werde durch die Verabschiedung des Gesetzentwurfs «das modernste Einwanderungsrecht der Welt» bekommen, sagte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD). Der nächste Schritt müsse sein, «maßgeblich Bürokratie abzubauen», um den Weg nach Deutschland für qualifizierte Arbeitskräfte weniger beschwerlich zu machen.

Chancenkarte in Form eines Punktesystems geplant

Neu ist in dem Gesetzentwurf unter anderem die sogenannte Chancenkarte auf Basis eines Punktesystems. Zu den Kriterien, für die es Punkte gibt, gehören Sprachkenntnisse, Berufserfahrung, Alter und Deutschlandbezug. IT-Fachkräfte sollen künftig auch ohne Hochschulabschluss kommen dürfen, sofern sie bestimmte Qualifikationen nachweisen können. Leichter werden soll es auch für Asylbewerber, die vor dem 29. März 2023 eingereist sind, die eine qualifizierte Tätigkeit ausüben oder in Aussicht haben.

Die Reform sei eine «Mogelpackung», kritisierte die stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion, Andrea Lindholz. Anstatt Fachkräften den Weg zu ebnen, werde das von Erwerbsmigranten eingeforderte Niveau, was Ausbildung und Sprache angeht, gesenkt. Mit ihrem neuen Punktesystem schaffe die Ampel-Koalition ein «Bürokratiemonster», sagte die CSU-Politikerin. Sie kritisierte außerdem die vorgesehenen Änderungen, die Ausreisepflichtige mit Jobangebot betreffen.

Lindholz sei ideologisch verbohrt, sagte Grünen-Fraktionsvize Konstantin von Notz. Ihre Kritik sei «an den Haaren herbeigezogen». Der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Fraktion, Johannes Vogel, sagte, Deutschland orientiere sich bei dieser Reform an erfolgreichen Einwanderungsländern wie Kanada, Neuseeland und Australien. «Mit neuen Köpfen kommen auch neue Ideen», fügte er hinzu.

Linke befürchtet «Zwei-Klassen-Migrationspolitik»

Gökay Akbulut (Linke) sagte, es sei gut, dass Fachkräfte künftig auch ohne Wohnraumnachweis ihre Eltern und Schwiegereltern zu sich holen könnten. Dass dies erwerbstätigen Migranten ohne besondere Qualifikation nicht gestattet werde, sei aber «eine Zwei-Klassen-Migrationspolitik», die ihre Fraktion ablehne.

Deutschland sei kein Einwanderungsland, sondern ein «Heimatland», sagte Norbert Kleinwächter von der AfD. Es kämen nicht zu wenige Menschen nach Deutschland, sondern zu viele Menschen, die sich nicht integrieren wollten.

Forderung nach Austausch mit Visastellen

Neben Faeser und Abgeordneten der Union verwiesen auch Arbeitgeber und die Bundesagentur für Arbeit (BA) auf zu hohe bürokratische Hürden. Aus Sicht von BA-Vorständin Vanessa Ahuja geht die Reform in die richtige Richtung, sie mahnte aber: «Schnellere und unbürokratische Verfahren gelingen nur mit einem gemeinsamen digitalen Austausch zwischen den beteiligten Partnern, etwa Ausländerbehörden, Visastellen und der BA.»

Die Geschäftsführerin des Arbeitgeberverbandes Pflege, Isabell Halletz, sieht durch die Reform wenig Verbesserungen für zuwanderungswillige und dringend benötigte Pflegefachkräfte. Sowohl die Arbeitgeber als auch die Arbeitskräfte aus dem Ausland benötigten keine weiteren staatlichen Anwerbeprogramme, sondern standardisierte Prozesse und verbindliche Fristen. Sie betonte: «Es bringt nichts, wenn beschleunigte Verfahren auf dem Papier existieren, aber nicht in der Praxis umgesetzt werden können.»