Expertenbericht: Muslimfeindlichkeit weit verbreitet
Unabhängige Experten empfehlen der Bundesregierung die Ernennung eines Bundesbeauftragten für die Bekämpfung von Muslimfeindlichkeit. Ihm oder ihr zur Seite solle ein Sachverständigenrat stehen.
Dies ist einer der Vorschläge, den der im September 2020 noch vom damaligen Innenminister Horst Seehofer (CSU) berufene zwölfköpfige Unabhängige Expertenkreis Muslimfeindlichkeit (UEM) in seinem Abschlussbericht macht. Das Papier mit dem Titel «Muslimfeindlichkeit - Eine deutsche Bilanz» wurde in Berlin vorgestellt.
Der Bericht richte sich an alle Menschen und Organisationen im Land, stellen die Verfasser voraus - denn entscheidend sei, dass gerade auch jene, die nicht unmittelbar diskriminiert würden, sich solidarisch verhielten.
Ausgrenzung und Diskriminierung bis hin zu Gewalt
Der Expertenkreis definiert Muslimfeindlichkeit als «die Zuschreibung pauschaler, weitestgehend unveränderbarer, rückständiger und bedrohlicher Eigenschaften gegenüber Muslim*innen und als muslimisch wahrgenommenen Menschen. Dadurch wird bewusst oder unbewusst eine «Fremdheit» oder sogar Feindlichkeit konstruiert». Für Betroffene seien das keine Einzelereignisse, sondern wiederkehrende und mitunter sehr belastende Erfahrungen. Sie erführen Ausgrenzung und Diskriminierung bis hin zu Gewalt.
Das Phänomen sei weit verbreitet, schreiben die Fachleute aus Wissenschaft und Verbänden. So stimme laut Untersuchungen etwa jede beziehungsweise jeder Zweite muslimfeindlichen Aussagen zu. Vorurteile gegen Zuwanderer und Muslime als Anhänger einer angeblich besonders «rückständigen» Religion überschnitten sich, Betroffene würden gleich doppelt stigmatisiert. Muslimische Frauen berichteten, dass sie als nicht selbstbestimmt wahrgenommen würden, muslimische Männer wiederum erzählen, sie würden als aggressiv und gewalttätig wahrgenommen.
Auseinandersetzung mit Muslimfeindlichkeit in Schulen
Die Experten empfehlen der Bundesregierung eine Strategie zur Förderung der Teilhabe von Menschen «mit muslimischen Identitätsbezügen» in allen staatlichen Einrichtungen - mit bindenden Zielvorgaben, Öffentlichkeitsarbeit und gezielten Kampagnen. Für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter staatlicher Einrichtungen wie Lehrerinnen, Erzieher oder Polizisten solle es Fortbildungen geben. In den Schulen müsse die Auseinandersetzung mit Muslimfeindlichkeit verpflichtend werden. Rassismuskritische Studien sollten angeschoben und gefördert werden.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD), die den Bericht nach Angaben ihres Hauses wegen eines anderen wichtigen Termins nicht selbst entgegennahm, versprach eine intensive Beschäftigung damit. Muslimisches Leben gehöre selbstverständlich zu Deutschland, alle sollten die gleichen Chancen und Rechte haben. «Umso bitterer sind die Befunde dieses ersten umfassenden Berichts zur Muslimfeindlichkeit in Deutschland: Viele der 5,5 Millionen Musliminnen und Muslime in Deutschland erleben Ausgrenzung und Diskriminierung im Alltag - bis hin zu Hass und Gewalt.» Es sei sehr wichtig, dies sichtbar zu machen und ein Bewusstsein für noch immer weit verbreitete Ressentiments zu schaffen.