Rechtspopulismus

Experte: Wahlen im Osten könnten «Triumphzug» der AfD werden

Die AfD hat im thüringischen Sonneberg erstmals ein kommunales Spitzenamt erobert. Für viele ist das eine Zäsur. Wie groß ist das Potenzial der Rechtspopulisten eigentlich?

Experte: Wahlen im Osten könnten «Triumphzug» der AfD werden

Nach dem Wahlsieg der AfD im thüringischen Landkreis Sonneberg erwarten Experten weitere Erfolge der rechtspopulistischen Partei in Ostdeutschland. «Wenn es nicht zu einem dramatischen Stimmungswechsel kommt, könnten die Landtagswahlen und die Kommunalwahlen im nächsten Jahr zu einem Triumphzug der AfD werden», sagte der Dresdner Politikwissenschaftler Hans Vorländer der Deutschen Presse-Agentur.

Im Landkreis Sonneberg hatte der AfD-Kandidat Robert Sesselmann am Sonntag die Stichwahl um das Amt des Landrats mit 52,8 Prozent der Stimmen gewonnen. Sein CDU-Konkurrent Jürgen Köpper kam nur auf 47,2 Prozent. Es ist das erste kommunale Spitzenamt für die Rechtspartei bundesweit. Die Unterstützung von Linken, SPD, Grünen und FDP für den CDU-Gegenkandidaten Jürgen Köpper reichte nicht aus, um den AfD-Erfolg zu verhindern. Nächstes Jahr gibt es Landtags- und Kommunalwahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg sowie Kommunalwahlen in Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern.

Vorländer sagte, die AfD werde auf Landesebene zwar mangels Partnern nicht regieren. Doch würden große Bündnisse der übrigen Parteien nötig, um noch Regierungsmehrheiten zustande zu bekommen. «Es wird immer schwieriger, gegen die AfD Politik zu machen oder gegen die AfD Wahlen zu gewinnen», sagte der Direktor des Zentrums für Verfassungs- und Demokratieforschung an der TU Dresden.

«Fruchtbarer Boden für die AfD»

Wie üblich tagen heute die Gremien der Bundestagsparteien, dort könnte die Wahl in Sonneberg Thema werden. Grünen-Parteichefin Ricarda Lang hatte das Ergebnis als Warnung an alle demokratischen Kräfte gewertet. AfD-Kandidat Sesselmann hatte vor allem gegen die Politik der Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP im Bund Wahlkampf gemacht - mit der Energie- und Flüchtlingspolitik als Fokus.

CDU-Generalsekretär Mario Czaja schrieb auf Twitter, dass die Wahlen in Sonneberg ein «bitteres Ergebnis für die politische Mitte» seien. Am Ende sei der Wahlkampf vor Ort deutlich von bundespolitischen Themen überlagert gewesen, für die die Bundesregierung in der Verantwortung stehe. «Alle demokratischen Parteien muss es sehr nachdenklich machen, dass es in Sonneberg zu diesem Ergebnis kommen konnte», schrieb Czaja. Er macht zudem die Ampel-Koalition für den Wahlerfolg der AfD im thüringischen Sonneberg verantwortlich. «Die Bundesregierung spaltet das Land. Sie hat zu viele Themen und Vorschläge, die im Land eben nicht auf Konsens stoßen», sagte Czaja dem Sender Phoenix.

FDP-Chef und Bundesfinanzminister Christian Lindner teilte auf Twitter «aus aktuellem Anlass» einen Tweet des FDP-Abgeordneten Reinhard Houben. In diesem hatte Houben geschrieben, dass Regierungsverantwortung der AfD dazu führen würde, dass «Fachkräfte einen großen Bogen um Deutschland machen». Lindner kommentierte das am Sonntagabend mit den Worten: «Aus Anlass des heutigen Sonntags dieser Retweet. In der Sache entlarven - darum geht's. Und Probleme lösen, die objektiv bestehen.»

Der thüringische SPD-Landesvorsitzende Georg Maier machte auch die instabilen politischen Verhältnisse in dem Bundesland für den Ausgang der Landratswahl verantwortlich. Bei vielen Themen, die die Menschen bewegten, gebe es zu wenig erkennbare Fortschritte, weil die rot-rot-grüne Minderheitsregierung auf die Zustimmung der CDU angewiesen sei. «Wir drehen uns wirklich teilweise wirklich im Kreis», sagte Maier der dpa.

Der Parteivorsitzende der Linken, Martin Schirdewan, bezeichnete den Wahlerfolg des AfD-Kandidaten Robert Sesselmann in Thüringen als «Alarmsignal für die Demokratie». «Wir müssen jetzt ganz genau darüber nachdenken, wie man Demokratie stärken kann an dieser Stelle», sagte Schirdewan am Montag im ZDF-«Morgenmagazin». Dabei gehe es auch darum, wie die Erfahrung der Ostdeutschen jetzt wieder in die politische Debatte eingespeist werden könne, so dass sie sich «eben nicht frustriert der AfD zuwenden, sondern demokratischen Parteien.»

Politikwissenschaftler Vorländer sprach von einer Gemengelage verschiedener Motive bei den Wählerinnen und Wählern. Die AfD sei seit Jahren in vielen Regionen Ostdeutschlands tief verwurzelt und habe teils ein Potenzial von mehr als 30 Prozent. Viele Menschen hätten konservative, rechtspopulistische, rechtsnationale oder sogar völkische Einstellungen. Derzeit komme die Unzufriedenheit mit der Bundesregierung hinzu. «Das ist ein fruchtbarer Boden für die AfD», sagte Vorländer.