Esa-Sonde «Euclid» auf dem Weg zur Dunklen Materie
Es sind die großen, einflussreichen Unbekannten im All: Dunkle Materie und Dunkle Energie. Die europäische Raumsonde «Euclid» soll nun die Erforschung dieser beiden Phänomene – über die man bislang so gut wie nichts weiß – einen großen Schritt weiterbringen.
Das Fluggerät der Europäischen Raumfahrtagentur Esa hob am Samstag vom US-amerikanischen Weltraumbahnhof Cape Canaveral an Bord einer Falcon-9-Rakete des US-Unternehmens SpaceX ab. Weniger als eine Stunde später schickte die Sonde ein erstes Signal aus dem All. «”Euclid” ist auf seinem Weg, das kosmische Geheimnis von Dunkler Materie und Dunkler Energie zu lüften», schrieb die Esa auf Twitter. «Die Stimmung ist sehr, sehr gut hier», sagte Esa-Generaldirektor Josef Aschbacher.
«Euclid» soll Licht ins Dunkel bringen
«Euclid» sei ein Quantensprung in der Fähigkeit der Menschheit, den Ursprung und die Entwicklung des Universums zu untersuchen, sagte Joseph Mohr von der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) in München nach dem Start der Sonde laut einer Mitteilung.
Zusammen bilden Dunkle Materie und Dunkle Energie einen extrem großen Anteil am Universum. Alle anderen bekannten Bestandteile – Sterne, Planeten, unsere Milchstraße, andere Galaxien – machen lediglich etwa fünf Prozent aus, wie Giuseppe Racca, der Esa-Programmmanager für «Euclid», im Vorfeld des Starts erklärte. «Die Kosmologie ist in einer Situation, die als Blamage bezeichnet werden könnte.»
Dunkle Materie und Dunkle Energie sind bestimmende Faktoren im All. Im Universum, erklärte Astrophysiker David Elbaz, gibt es mehr Schwerkraft als auf Grundlage der sichtbaren Teile angenommen würde. «Die Sonne dreht sich mit einer so hohen Geschwindigkeit um das Zentrum der Milchstraße, dass sie aus der Galaxie ausbrechen sollte. Und wenn sie nicht ausbricht, heißt das, dass sie von einer anderen Masse, die wir nicht sehen, angezogen wird.» Das sei die Dunkle Materie. Dunkle Energie hingegen beschreibe eine Art Anti-Schwerkraft, durch die Galaxien sich abzustoßen schienen. Beides sei äußerst schwer zu erforschen.
Ein Blick in die Vergangenheit des Universums
«Euclid» soll nun etwas Licht ins Dunkel bringen. «Das Unsichtbare sichtbar machen», fasst Astrophysiker Elbaz den Kern der Mission zusammen. Das Herzstück der etwa 4,7 Meter großen, 3,5 Meter breiten und knapp unter zwei Tonnen schweren Sonde ist ein hochauflösendes Teleskop. Dieses ist mit zwei Kameras ausgestattet – eine für den sichtbaren Wellenlängenbereich und eine für den Nah-Infrarotbereich.
Mit dem Teleskop will die Esa einen Blick in die Vergangenheit des Universums werfen und dessen Entwicklung innerhalb der letzten zehn Milliarden Jahre erforschen. Ziel ist es auch, eine 3D-Karte zu erstellen, in der Zeit die dritte Dimension ist. Insgesamt sollen Daten zu Milliarden Galaxien gesammelt werden.
Eine 1,4 Milliarden Euro teure Mission
Mit der Mission, so hoffen Forscherinnen und Forscher, soll sichtbar werden, wie das Universum sich ausgedehnt hat und wie einzelne Strukturen entstanden sind. Daraus wollen sie Schlüsse zu Dunkler Materie und Dunkler Energie ziehen und auch verstehen, wie Dunkle Materie und die Schwerkraft zusammenhängen. Jochen Weller vom Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik zeigte sich enthusiastisch: «Euclid wird es uns ermöglichen, Einsteins Theorie der Schwerkraft bei großen Entfernungen zu testen und – wer weiß? – vielleicht müssen wir seine Theorie erweitern.»
Zunächst einmal ist die etwa 1,4 Milliarden Euro teure Mission, an der mehr als 20 Länder beteiligt sind, auf sechs Jahre angesetzt. «Euclid» soll etwa 1,5 Millionen Kilometer weit ins All fliegen. Bis die Sonde dort ankommt, dürfte rund ein Monat vergehen. Es folgen einige Tests, das Teleskop wird überprüft und die Instrumente eingeschaltet. Nach einer zweimonatigen Testphase, wo nur Routinebeobachtungen vorgenommen werden, soll die Mission im Herbst ihre eigentliche Arbeit aufnehmen und erste Bilder liefern.
Die von «Euclid» gesammelten Informationen könnten für die Forschung eine große Bereicherung sein. Racca, der Programmmanager für «Euclid», rechnet bereits im ersten Jahr der Mission mit mehr Daten zur extragalaktischen Astronomie, als es bisher von allen anderen vergleichbaren Missionen gegeben hat. «Ich erwarte, dass “Euclid” die Wissenschaftsgemeinschaft mit einer nie dagewesenen, riesigen Menge an Daten fluten wird.» Europa könne damit eine Führungsposition bei der Erforschung von Dunkler Materie und Dunkler Energie einnehmen, sagte Ralf Bender vom Max-Planck-Institut.
Astrophysiker Elbaz geht davon aus, dass man etwa anderthalb Jahre nach dem Start von «Euclid» erstmals ein besseres Verständnis von Dunkler Materie haben könnte. Doch was die Mission langfristig für Erkenntnisse bringt, sei nicht absehbar. «Heute zu wissen, was der Einfluss unseres besseren Verstehens von Physik und davon, was “Euclid” uns sagen wird, sein wird, (…) ist unmöglich.»