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Die AfD hat ihren ersten Landrat - und will jetzt mehr

Ein Beben hatte Thüringens AfD-Chef Björn Höcke angekündigt, nun ist es passiert: Mit Robert Sesselmann ist der erste AfD-Landrat Deutschlands gewählt worden. Für Höcke nur ein Anfang.

Die AfD hat ihren ersten Landrat - und will jetzt mehr

Sie habe Angst, dass die AfD eines Tages in die Regierung kommt, sagt eine ältere Frau in Sonneberg am Tag der Landratswahl. Die Sprache und die Rhetorik von Björn Höcke erinnerten sie an die Nationalsozialisten.

Wenige Stunden später wird klar, dass die Partei, die in Thüringen vom Landesverfassungsschutz als gesichert rechtsextrem eingestuft wird, in dem kleinen Landkreis an der Grenze zu Bayern die Landratswahl gewinnt.

Der Rechtsanwalt und Landtagsabgeordnete Robert Sesselmann wird Deutschlands erster AfD-Landrat, er setzte sich bei der Stichwahl gegen den CDU-Kontrahenten Jürgen Köpper durch. Zuvor hatten Linke, SPD, Grüne und FDP eine Art Allianz geschmiedet und zur Wahl Köppers aufgerufen, um einen AfD-Landrat zu verhindern - vergebens.

Entsprechend euphorisch feierten AfD-Anhänger in Sonneberg - mit AfD-Landeschef Björn Höcke und dem Bundesvorsitzenden Tino Chrupalla. «Landrat Sesselmann in Sonneberg. Es ist ein Hammer!», schrie AfD-Kreischef Falko Graf bei der Bekanntgabe des Ergebnisses. Bei der AfD-Wahlparty erklärte Höcke zwischen blauen Luftballons und Deutschlandflaggen, von Sonneberg gehe ein «politisches Wetterleuchten» aus.

Nur der Anfang?

Bereits zuvor hatte Höcke betont, dass er den Kommunalwahlen eine große Bedeutung beimisst - auf dem Weg zu einer Regierungsbeteiligung. Im kommenden Jahr stehen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg Landtagswahlen an.

Bisher ist die AfD im Bund und in den Ländern politisch völlig isoliert. Höcke will diese Isolation aufbrechen. Man könne 2024 in Ostdeutschland «ein politisches Erdbeben erzeugen», sagte er nach Sesselmanns Wahl.

Zuletzt legte die AfD bundesweit in Umfragen zu, in Höckes Bundesland Thüringen etwa lag sie in jüngsten Umfragen vor der Linken auf Platz eins. Politisch gestalten konnte sie aber bisher nicht - höchstens indirekt, indem sie etwa CDU und FDP zu Mehrheiten verhalf.

Nun soll ein AfD-Mann einen Landkreis steuern. Ausgerechnet in Thüringen, wo die AfD besonders weit rechts steht. Sesselmann kündigte am Wahlabend an, sein Landtagsmandat niederzulegen und sich als erstes um den Haushalt im Kreis kümmern zu wollen. Er wolle auch auf den politischen Gegner zugehen. Seine Partei sieht er nun auf dem Weg zur Volkspartei.

Die Stimmung in Sonneberg

Der Landkreis Sonneberg ist einer der kleinsten in Deutschland, man spricht einen fränkischen Dialekt. Zuletzt sorgte die Region politisch für Aufsehen, als Ex-Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen (CDU) zur Bundestagswahl antrat - und gegen seinen SPD-Konkurrenten verlor. In Thüringen gilt der Kreis als wirtschaftlich starke Region, die Arbeitslosenquote liegt unter dem Bundesdurchschnitt.

«Ich glaube nicht, dass er viel verändern kann, als Landrat», sagte die ältere Frau am Marktplatz von Sonneberg noch vor der Bekanntgabe des Wahlergebnisses. «Aber ich habe Angst, wenn die nachher immer mehr werden und in die Regierung kommen.»

Gewonnen hat Sesselmann die Wahl auch mit Forderungen, die er als Landrat nie wird durchsetzen können - etwa aus der Euro-Währungsunion auszusteigen. Nach Ansicht von drei jüngeren Männern, die am Wahltag in der Stadt Sonneberg unterwegs waren, ist die AfD in ihrem Landkreis so stark, weil die Menschen mit der Bundespolitik unzufrieden seien. «Aber damit löst man doch in einer Demokratie keine Probleme», beschwert sich einer.

Experten-Ansicht

Nach Ansicht des Magdeburger Extremismusforschers Matthias Quent hat Sesselmanns Wahlsieg «einen symbolischen Wert von bundesweiter Bedeutung», wie er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) sagte. «Die realen Gestaltungsmöglichkeiten eines Landrats in einem Kreis mit 54.000 Einwohnern sind begrenzt, aber dieser Wahlsieg gibt der AfD eine zentrale Position für den Angriff auf die Landes- und Bundespolitik.»

Zudem sei der Wahlausgang eine Bestätigung für den «rechtsextremen Radikalisierungskurs» von Höcke. Der Experte hält sogar für möglich, dass der AfD-Wahlerfolg Ausgangpunkt für eine «Normalisierung und Legitimierung einer Zusammenarbeit zwischen AfD und CDU» sein könnte.