Deutschland will Soldaten dauerhaft in Litauen stationieren
Deutschland will rund 4000 Bundeswehr-Soldaten dauerhaft nach Litauen schicken, um die Ostflanke der Nato zu stärken.
«Deutschland ist bereit, dauerhaft eine robuste Brigade in Litauen zu stationieren», sagte Verteidigungsminister Boris Pistorius bei einem Besuch in der litauischen Hauptstadt Vilnius. Voraussetzung sei die Schaffung der notwendigen Infrastruktur zur Unterbringung der Soldatinnen und Soldaten durch die litauischen Behörden und Übungsmöglichkeiten.
Die Bundeswehr ist seit 2017 in dem an Russland und Belarus grenzenden Litauen, derzeit mit etwa 800 Soldaten. Als Reaktion auf die russische Invasion in der Ukraine hatte die Bundesregierung im Juni 2022 zugesagt, die Präsenz deutlich zu verstärken und eine komplette Kampftruppen-Brigade für die Verteidigung Litauens im Fall eines Angriffs bereitzuhalten.
Bisher war aber strittig, ob die Soldaten dauerhaft in Litauen stationiert oder nur zeitweise für Übungen dorthin geschickt werden sollen. Die litauische Regierung hat vehement eine Dauerpräsenz gefordert. Die Bundesregierung äußerte sich dazu lange Zeit sehr zurückhaltend. Jetzt gibt es eine klare Zusage.
Pistorius: Auch Deutschland lag mal an der Nato-Ostflanke
Pistorius begründete den Schritt auch mit der deutschen Geschichte. Bis zum Ende des Kalten Krieges habe Deutschland an der Ostflanke der Nato gelegen, betonte er. «Wir waren diejenigen, die sich stets darauf verlassen konnten, dass die Nato-Partner im Ernstfall uns zur Seite stehen würden und mit uns für unsere Freiheit und Sicherheit in Deutschland eintreten und kämpfen würden», sagte er.
Heute seien Polen und das Baltikum in besonderer Weise exponiert. «Und wir als Bundesrepublik Deutschland bekennen uns ausdrücklich zu unserer Verantwortung und zu unserer Verpflichtung, als Nato-Mitgliedsland, als größte Volkswirtschaft in Europa für den Schutz der Ostflanke einzutreten.»
Derzeit nur ein Gefechtsstand mit 20 Soldaten in Litauen
Bisher ist nur ein Gefechtsstand der deutschen Brigade in Litauen, der in der Regel mit 20 Soldaten besetzt ist. Der größte Teil der Panzergrenadierbrigade 41 «Vorpommern» wird in Deutschland an verschiedenen Standorten bereitgehalten. Sie soll im Spannungsfall binnen zehn Tagen in das baltische Land verlegt werden können.
Dies wird derzeit bereits zum dritten Mal geübt. In den vergangenen Tagen wurden neben etwa 1000 Soldaten für ein bis zum 7. Juli angesetztes Manöver auch rund 300 Panzer und andere Fahrzeuge nach Litauen verlegt. Pistorius schaute sich die Übung in Prabade - nur wenige Kilometer von der Grenze zu Belarus entfernt - am Montag zusammen mit dem litauischen Präsidenten Gitanas Nauseda und Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg an.
Zudem ist die Bundeswehr bereits seit sechs Jahren mit mehreren Hundert Soldaten im litauischen Rukla präsent. Dort führt Deutschland einen Nato-Gefechtsverband mit derzeit etwa 1600 Soldaten, davon etwa 780 Soldaten aus der Bundeswehr. Was mit diesem Verband passiert, wenn die deutsche Brigade fest in Litauen stationiert wird, ist noch unklar.
Litauen will Infrastruktur bis 2026 schaffen
Pistorius sagte, dass die Verlegung der 4000 Soldaten nach und nach entsprechend der Entstehung der Infrastruktur erfolgen soll. Litauen will bis 2026 die militärische Infrastruktur fertigstellen. Sollte es bereits 2025 klappen, werde er nicht böse sein, sagte Staatspräsident Gitanas Nauseda am Montag nach einem Treffen mit Pistorius und Stoltenberg in Pabrade.
Litauens Verteidigungsminister Arvydas Anusauskas sagte, dass die Stationierung einer deutschen Brigade «unsere Priorität» sei. «Wir sind bereit, weiterhin zusammenzuarbeiten, um die Bedürfnisse der deutschen Streitkräfte zu koordinieren, um so schnell wie möglich und mit höchster Qualität eine Einheit in Größe einer Brigade im Land aufnehmen zu können», sagte er und fügte hinzu: «Der Einsatz deutscher Streitkräfte zur Verteidigung unseres Landes ist wirklich sichtbar und wird geschätzt.»
Wagner-Truppe könnte neue Herausforderung bedeuten
Nauseda sieht nach dem abgebrochenen Aufstand der Wagner-Söldnertruppe in Russland eine zunehmende Dringlichkeit des Projekts. «Die Ereignisse des vergangenen Wochenendes in Russland haben die Instabilität des Kreml-Regimes gezeigt», sagte der Staatschef des baltischen EU- und Nato-Landes. Das könne in Zukunft noch größere Herausforderungen bedeuten.
Bereits am Sonntag hatte Nauseda gefordert, die Truppenpräsenz an der Nato-Ostflanke zu erhöhen, sollte Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin mit unklaren Absichten im Exil in Belarus landen. «Ich spreche hier nicht nur von Litauen, sondern von der Nato als Ganzes.»
Pistorius verwies allerdings darauf, dass die deutsche Brigade technisch nicht jetzt schon komplett nach Litauen verlegt werden könne. Man sei aber im engen Austausch mit der Nato und mit Litauen, um «gewissermaßen in eine Halb-Acht-Stellung» zu kommen und auf eine veränderte Bedrohungslagen schnell reagieren zu können.
Stoltenberg: «Wir beobachten die Situation»
Stoltenberg sagte nach seinem Treffen mit Nauseda nur: «Wir beobachten die Situation in Russland.» Es handele sich um eine «interne Angelegenheit Russlands». Zugleich seien die Ereignisse am Wochenende ein «weiterer Beweis für den großen strategischen Fehler», den Russlands Präsident Wladimir Putin mit der illegalen Annexion der Krim und dem Krieg gegen die Ukraine begangen habe.