Justiz

Corona-Geld ins Klima stecken? Gericht prüft Haushalt

Die Regierung habe sich «die Taschen voller Geld» geladen: So lautet vor eineinhalb Jahren der Vorwurf der Union. Jetzt landet eine Haushalts-Entscheidung des Bundestags vor Gericht. Mit welchen Folgen?

Corona-Geld ins Klima stecken? Gericht prüft Haushalt

Es war der erste Haushaltsentwurf des damals ganz neuen Finanzministers Christian Lindner (FDP) – und er landet gleich vor dem höchsten deutschen Gericht. Wenn das Bundesverfassungsgericht über den Nachtragshaushalt von 2021 urteilt, könnte das die Etatplanung der Bundesregierung kräftig durcheinanderwirbeln. Es geht um 60 Milliarden Euro, die für den Klimaschutz eingeplant sind. Heute wollen die Karlsruher Richter und Richterinnen dazu verschiedene Sichtweisen hören.

Was ist das für Geld?

Der Bundestag hat im Januar 2022 nachträglich den Haushalt des Vorjahres geändert. Damit wurden 60 Milliarden Euro umgeschichtet, die in der Corona-Krise als Kredite genehmigt waren, zur Pandemiebekämpfung aber letztlich nicht gebraucht wurden.

Statt die Neuverschuldung zu reduzieren, wurde das Geld in den sogenannten Klima- und Transformationsfonds geschoben, aus dem die Bundesregierung langfristige Investitionen für mehr Klimaschutz bezahlt. Dabei bekam es eine Zweckbindung: Die Mittel dürfen etwa für die Förderung energieeffizienter Gebäude und einer CO2-neutralen Mobilität genutzt werden. Der Gebäude- und der Verkehrsbereich gehören zu den größten Sorgenkindern beim Klimaschutz.

Wer hat geklagt – und mit welchen Argumenten?

Die Mitglieder der oppositionellen Unionsfraktion zogen sofort nach dem Bundestags-Beschluss vor Gericht. Sie kritisierten, die Bundesregierung lade sich auf Vorrat die Taschen voller Geld und umgehe so bewusst die Schuldenbremse im Grundgesetz. Denn ohne das Geld aus dem Sonderfonds müssten für die Klimaprojekte womöglich an anderer Stelle viele Milliarden eingespart werden, weil man keine neuen Kredite aufnehmen darf.

Auch der Bundesrechnungshof bezeichnete die Umschichtung als «verfassungsrechtlich zweifelhaft». Das Geld sei ursprünglich gezielt zur Bekämpfung der Corona-Pandemie genehmigt worden. Nun werde nicht schlüssig begründet, warum es für den Klimaschutz zweckentfremdet werde. Der Klimawandel müsse mit den normalen Haushaltsregeln bewältigt werden, argumentierten die Prüfer.

Wie rechtfertigt Bundesregierung die Umwidmung?

In Regierungskreisen hieß es damals, viele Klimaschutz-Investitionen seien wegen der Pandemie über einen langen Zeitraum nicht möglich gewesen. Deshalb sei es nur logisch, die wegen der Corona-Krise aufgenommenen Schulden zu nutzen, um das aufzuholen. Außerdem erhole sich die Konjunktur nicht so zügig wie erhofft und müsse weiter durch Investitionen gestützt werden.

Gab es so eine Umschichtung schonmal?

Ja, und daran war ausgerechnet die Union selbst beteiligt. Im Jahr 2020 verschob die damals schwarz-rote Bundesregierung 28 Milliarden Euro ebenfalls in den Klimafonds. «Genau dasselbe haben wir in der letzten Koalition auch gemacht», argumentierte der SPD-Haushälter Dennis Rohde in der Debatte zum Nachtragshaushalt. Damals habe die Union voll des Lobes noch von einer «Vitaminspritze für die Zukunft unseres Landes» gesprochen.

Hat das Verfassungsgericht in der Sache nicht schon einmal entschieden?

Ja. Allerdings war das im November nur eine Eilentscheidung. Damals ließen die Karlsruher Richterinnen und Richter die Umwidmung weiterlaufen. Sie begründeten das damit, dass die Folgen eines einstweiligen Stopps zu schwer gewesen wären, sollte sich im Hauptsacheverfahren herausstellen, dass die Änderungen doch verfassungskonform waren.

Als Beispiel nannte der Zweite Senat, dass die EEG-Umlage dann womöglich nicht mehr aus den umgeschichteten Mitteln finanziert werden könnte – was mit einer Strompreiserhöhung für Verbraucher und Unternehmen verbunden wäre. Programme für effiziente Gebäude, elektrisch betriebene Fahrzeuge oder zur Dekarbonisierung der Industrie könnten gefährdet und somit die Klimaziele verfehlt werden.

Ist damit die endgültige Entscheidung schon vorbestimmt?

Nein. Das Gericht sieht der damaligen Mitteilung zufolge durchaus die Möglichkeit, dass gegen verfassungsrechtliche Vorgaben verstoßen wurde. Gerade mit Blick auf die Schuldenbremse müsse etwa geprüft werden, welche Prinzipien für Ausnahmen bei Naturkatastrophen und außergewöhnlichen Notsituationen gelten und ob sie durch Sondervermögen umgangen werden könnten. «Von verfassungsrechtlicher Bedeutung könnte schließlich auch sein, dass die Verabschiedung des Zweiten Nachtragshaushaltsgesetzes 2021 erst im Jahr 2022 erfolgte.»

Welche Folgen könnte das Urteil haben?

Bei einer sogenannten abstrakten Normenkontrolle, um die es hier geht, überprüfen die Richterinnen und Richter, ob eine Regelung mit dem Grundgesetz beziehungsweise mit sonstigem Bundesrecht vereinbar ist. Falls dem nicht so ist, erklärt das Bundesverfassungsgericht die Rechtsnorm für nichtig oder unvereinbar mit dem Grundgesetz.

Dann wäre die Übertragung der Kreditermächtigungen ungültig. Wie die Politik dann damit umgeht, bliebe voraussichtlich ihr überlassen. Fest steht, dass Lindner das Geld nicht einfach auf der hohen Kante hat. Die Ausgaben aus dem Klima- und Transformationsfonds sind schon jetzt eng gestrickt – und es kommen immer mehr Ideen auf, was daraus bezahlt werden könnte. So etwa auch Fördermittel für den Austausch alter Öl- und Gasheizungen gegen klimafreundlichere Modelle.

Wird heute schon ein Urteil gesprochen?

Nein. Das folgt erst einige Zeit – meist mehrere Monate – später.