Migration

Bundestag beschließt neues Einwanderungsrecht

Mit den Stimmen der Ampel-Fraktionen wird das Fachkräfteeinwanderungsgesetz beschlossen - vorher geht es hoch her im Bundestag.

Bundestag beschließt neues Einwanderungsrecht

Der Bundestag hat eine Reform des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes und eine Ausweitung der sogenannten Westbalkanregelung beschlossen. In der abschließenden Debatte dazu prallten am Freitag im Bundestag sehr unterschiedliche Einstellungen zur Migration aufeinander.

Die Ampel-Fraktionen betonten den Nutzen der erleichterten Einwanderung für die Wirtschaft. Die Union kritisierte die aus ihrer Sicht zu geringen Anforderungen an arbeitswillige Ausländer aus Nicht-EU-Staaten. Um mehr Arbeitskräfte auch im Inland zu gewinnen, wurde am Freitag außerdem ein Gesetz der Ampel für Aus- und Weiterbildung beschlossen.

Die Abgeordneten der Ampel-Fraktionen votierten in der namentlichen Schlussabstimmung nahezu geschlossen mit Ja. Lediglich die FDP-Abgeordnete Linda Teuteberg enthielt sich der Stimme. Die anwesenden Abgeordneten von Union und AfD stimmten laut Bundestagsverwaltung alle mit «Nein». In der Summe stimmten 388 Abgeordnete mit Ja. 242 Parlamentarier lehnten den Entwurf ab. 31 Abgeordnete enthielten sich.

Teuteberg kritisiert Streichung von «Begrenzung»

Teuteberg erklärte auf Nachfrage, sie sei für die Einwanderung von Fachkräften. Sie halte es aber für falsch, dass die Wörter «und Begrenzung» aus dem ersten Artikel des Aufenthaltsgesetzes gestrichen werden sollen, zumal dort ohnehin die humanitäre Verpflichtung Deutschlands erwähnt werde. Bislang lautet der erste Satz des Gesetzes: «Das Gesetz dient der Steuerung und Begrenzung des Zuzugs von Ausländern in die Bundesrepublik Deutschland.»

Deutschland werde durch die Verabschiedung des Gesetzentwurfs «das modernste Einwanderungsrecht der Welt» bekommen, sagte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD). Der nächste Schritt müsse nun sein, «maßgeblich Bürokratie abzubauen», um den Weg nach Deutschland für qualifizierte Arbeitskräfte weniger beschwerlich zu machen.

Union spricht von «Mogelpackung»

Neu ist in dem Gesetzentwurf unter anderem die sogenannte Chancenkarte auf Basis eines Punktesystems. Zu den Kriterien, für die es Punkte gibt, gehören Sprachkenntnisse, Berufserfahrung, Alter und Deutschlandbezug. IT-Fachkräfte sollen künftig auch ohne Hochschulabschluss kommen dürfen, sofern sie bestimmte Qualifikationen nachweisen können. Leichter werden soll es auch für Asylbewerber, die vor dem 29. März 2023 eingereist sind, die eine qualifizierte Tätigkeit ausüben oder in Aussicht haben.

Die Reform sei eine «Mogelpackung», kritisierte die stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion, Andrea Lindholz. Anstatt Fachkräften den Weg zu ebnen, werde das von Erwerbsmigranten eingeforderte Niveau, was Ausbildung und Sprache angeht, gesenkt. Mit ihrem neuen Punktesystem schaffe die Ampel-Koalition ein «Bürokratiemonster», sagte die CSU-Politikerin. Sie kritisierte außerdem Erleichterungen, von denen Ausreisepflichtige mit Qualifikation und Jobangebot profitieren sollen.

«Mit neuen Köpfen kommen auch neue Ideen»

Lindholz sei ideologisch verbohrt, sagte Grünen-Fraktionsvize Konstantin von Notz. Die Möglichkeit eines «Spurwechsels» für Ausreisepflichtige diene auch dazu, diese «aus der staatlichen Abhängigkeit herauszulösen».

Der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Fraktion, Johannes Vogel, sagte, Deutschland orientiere sich bei der Reform an erfolgreichen Einwanderungsländern wie Kanada, Neuseeland und Australien. «Mit neuen Köpfen kommen auch neue Ideen», fügte er hinzu. Sein Parteikollege Konstantin Kuhle verwies darauf, dass die Ampel durch eine Änderung der Beschäftigungsverordnung außerdem das Kontingent für die Westbalkanregelung von 25 000 auf 50 000 Arbeitskräfte pro Jahr verdoppeln werde. Die Regelung erlaubt auch eine Einreise von Arbeitskräften ohne besondere Qualifikation, wenn diese einen Arbeitsvertrag vorweisen können. Der Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks, Jörg Dittrich, sagte: «Insbesondere das Baugewerbe kann von diesen zusätzlichen Arbeitskräften profitieren.»

Gökay Akbulut (Linke) sagte, es sei gut, dass Fachkräfte künftig auch ohne Wohnraumnachweis ihre Eltern und Schwiegereltern zu sich holen könnten. Dass dies erwerbstätigen Migranten ohne besondere Qualifikation, wie etwa Reinigungskräften, nicht gestattet werde, sei aber «eine Zwei-Klassen-Migrationspolitik», die ihre Fraktion ablehne.

Bundesagentur: Zu hohe bürokratische Hürden

Deutschland sei kein Einwanderungsland, sondern ein «Heimatland», sagte Norbert Kleinwächter von der AfD. Es kämen nicht zu wenige Menschen nach Deutschland, sondern zu viele Menschen, die sich nicht integrieren wollten.

Neben Faeser und Abgeordneten der Union verwiesen auch Arbeitgeber und die Bundesagentur für Arbeit (BA) auf zu hohe bürokratische Hürden. Aus Sicht von BA-Vorständin Vanessa Ahuja geht die Reform in die richtige Richtung. Sie mahnte aber: «Schnellere und unbürokratische Verfahren gelingen nur mit einem gemeinsamen digitalen Austausch zwischen den beteiligten Partnern, etwa Ausländerbehörden, Visastellen und der BA.»

Die Geschäftsführerin des Arbeitgeberverbandes Pflege, Isabell Halletz, sieht durch die Reform wenig Verbesserungen für zuwanderungswillige und dringend benötigte Pflegefachkräfte. Sowohl die Arbeitgeber als auch die Arbeitskräfte aus dem Ausland benötigten keine weiteren staatlichen Anwerbeprogramme, sondern standardisierte Prozesse und verbindliche Fristen. Sie betonte: «Es bringt nichts, wenn beschleunigte Verfahren auf dem Papier existieren, aber nicht in der Praxis umgesetzt werden können.»

Nach dem Bundestagsbeschluss für das Fachkräfteeinwanderungsgesetz stimmte das Parlament mit den Stimmen der Ampel auch noch für deren Aus- und Weiterbildungsgesetz. Damit sollen mehr Nachwuchs- und Arbeitskräfte auch im Inland gewonnen werden. Es sieht unter anderem vor, durch die Übernahme von Unterkunfts- und Fahrtkosten junge Menschen zu ermutigen, auch weiter entfernte Praktikums- und Ausbildungsplätze anzunehmen. Außerdem ist ein sogenanntes Qualifizierungsgeld als Lohnersatz geplant. Damit soll es möglich werden, Beschäftigte in Branchen im Strukturwandel freizustellen, damit sie eine Weiterbildung für neue Aufgaben im Betrieb absolvieren und gleichzeitig ihre Stelle behalten können.