Berlins Kultursenator Chialo will rasch Barenboim-Nachfolge
Berlins Kultursenator Joe Chialo hat seinen Job als erfolgreicher Musikmanager für den Senatsposten in der Regierung von CDU und SPD aufgegeben. Damit sind für den CDU-Politiker viele Bereiche der Kulturszene noch politisches Neuland. Im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur äußert sich der 52-Jährige zu persönlichen Dingen und anstehenden Themen.
Rassismus
Chialo, als Kind einer tansanischen Diplomatenfamilie in Bonn geboren, ist mit Rassismus aufgewachsen. Auch sein Erfolg änderte daran nichts. «Rassismus, in vielen Formen, gibt es immer. Manchmal offensichtlich, manchmal subtil», berichtet er. Sein Vater habe ihm Erfolg als bestes Mittel gegen Rassismus empfohlen. «Deswegen ist es für mich so wichtig, mich nicht in einem Opferbild zu sehen, sondern den Blick nach vorne zu richten und meine Zukunft aktiv zu gestalten, also erfolgreich sein zu wollen.»
Humboldt Forum
Als eine von fünf Institutionen hängt Berlin im Wirrwarr des millionenschweren bundesdeutschen Prestigeobjekts Humboldt Forum. Chialos Vorgänger Klaus Lederer (Linke) wollte mit dem Stadtmuseum aussteigen. «Wir sind zum Humboldt Forum in Gesprächen», sagt Chialo. Mit Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) will er «mehrere Aspekte» reflektieren, besprechen, die Positionen abgleichen. «Mein Vorgänger hatte gute Gründe, die Entscheidung zu treffen, die er getroffen hat. Wir kommen nun mit einem frischen Blick und werden uns in den Gesprächen entsprechend positionieren.»
Museum des 20. Jahrhunderts
Am Kulturforum entsteht in Bundesregie für rund 450 Millionen Euro das Museum des 20. Jahrhunderts als weiterer Standort der Nationalgalerie. Das Umfeld gilt als Problem – und ist Sache Berlins. «Die Skateboarder erfreuen sich ja durchaus an der Betonwüste, aber ganz im Ernst: Als Umgebung der Museen ist das Kulturforum schon schwierig», sagt Chialo. Auch dazu will er sich mit Claudia Roth zusammensetzen. «Die Menschen sollen das Verweilen dort auch als einen Wert an sich wahrnehmen. Da sind schließlich mehrere Museen nebeneinander, jedes davon mit Werken von Weltrang!»
Restitutionen und Verhältnis zu Afrika
Nach spektakulären Rückgaben von Kulturgut aus kolonialer Vergangenheit will Chialo den Weg weitergehen. «Bei Restitutionen sollten wir uns auch immer fragen, was passiert, wenn wir Stücke nicht zurückgeben», sagt er. «Rückgaben sind aber vor allem ein wichtiges Zeichen, einen Teil des Unrechts wieder zu korrigieren – und es liegt dabei nicht in unserem Ermessen, mit erhobenem Zeigefinger Ratschläge zu geben, was mit Beutekunst in den jeweiligen Herkunftsländern passieren sollte. So viel Selbstdisziplin sollte schon sein, dass man sich an dieser Stelle einfach raushält.»
Chialo will mehr als nur den Blick in eine belastete Vergangenheit. Afrika sei ein junger Kontinent mit einem Altersdurchschnitt von 20 bis 25 Jahren. «Es braucht eine Zukunftsperspektive», sagte er, deswegen sollten die Beziehungen zu Afrika verbessert und beispielsweise Künstlerpartnerschaften gefördert werden.
Nachfolge von Daniel Barenboim
Mit dem krankheitsbedingten Rückzug Daniel Barenboims als Generalmusikdirektor der Staatsoper Unter den Linden ist Chialo für die international beachtete Besetzung eines hochkarätigen Postens zuständig. «Wir sind mit Hochdruck dran», sagt er. Die Nachfolge solle noch in diesem Jahr entschieden werden.
«Ich habe mich mit der künftigen Intendantin Elisabeth Sobotka mehrmals getroffen. Wir sind in einem vorgegebenen Prozess. Alle schauen dabei immer nur auf das Dirigentenpult.» Die Intendantin sei mit ihrer Wirkmacht wichtig, um Betrieb, Programm, Klima im Haus weiterzuentwickeln, sagt er. «Es geht darum, das Haus in seiner Exzellenz und Tradition zu bewahren und trotzdem Türen für eine moderne Zukunft aufzumachen.» Für Chialo ist klar: «Wenn ich eine gleichwertige Exzellenz bei zwei Kandidaten habe, würde ich immer eine Frau bevorzugen. Und wenn wir eine Frau mit Migrationshintergrund finden würden, dann wäre es natürlich noch toller.»